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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Ich hätte dem nächstbesten Unteroffizier kommandiert: »NehmenSie den verdächtigen Zivilisten in Gewahrsam!‹ Das war die rechte Musik für solchen Text.«
    Möllendorf lachte. »Sie sind noch jünger als Sie aussehen. Sie sind der richtige Unverantwortliche. Wenn man vom Rathaus kommt – Sie kennen das Sprichwort.«
    Prittwitz zuckte die Achseln. »Sie sind Politiker, ich bin Soldat und einer allerhöchsten schriftlichen Weisung untertan, ausgelegt durch den verantwortlichen Premierminister.«
    »Ausgelegt nach dessen Belieben! Ich habe Kunde, daß der König gar nicht damit einverstanden war.«
    »Wie soll ich das wissen! Allerdings schickte man mir einen Offizier vom Schlosse nach, wo die Truppen geblieben seien, und da hab' ich mich zu der respektwidrigen Antwort hinreißen lassen: ›Die gingen mir durch die Lappen, wo alle mitreden!‹ Überhaupt hab' ich nicht leichten Herzens –« Er brach finster ab, und Möllendorf fiel ein:
    »Die Wahrheit ist – und das haben manche gesehen, denn die Unterredung fand im Freien statt –, daß der arme Prittwitz blaurot vor Wut wurde und den Degen in die Scheide stieß mit der bewußten Aufforderung, die Blücher so sehr liebte.«
    »Sie meinen wohl Götz v. Berlichingen?« rief der Schönhauser hocherfreut. Dieser Kernmann war seine Lieblingsfigur in der Literatur.
    »Der von Goethe? Mag schon sein. Ich meine, wie der alte Marschall bei Belle-Alliance hörte, Grouchy greife ihn im Rücken an: ›Da steht er gerade recht, er kann mir –!‹« Alle lachten entzückt. »Das war so'n oller Preuße!«
    »Das ist die höchste Poesie!« bekräftigte Bismarck. »Und ich danke Euer Exzellenz, daß Sie das rechte Wort fanden.«
    »Ja, und dann hab' ich mein Pferd links gedreht und bin schweigend abgeritten, im Schritt wie zu einem Trauermarsch.« Alle schwiegen düster.
    »Wenn wenigstens der Prinz von Preußen –« hub Bismarck wieder an.
    »Pst!« Möllendorf sah sich vorsichtig um. »Er war auf der Pfaueninsel. Sein Adjutant, Herr v. Boyen, der Sohn des Feldmarschalls, hat alles vorbereitet, der hohe Herr geht nach England.«
    »Gott schütze ihn! Über seinem Palais steht ›Nationaleigentum‹, es ist zum Herzbrechen«, murmelte der Schönhauser. »Also auf nach Magdeburg, ich empfehle mich zu geneigtem Andenken und hoffentlich auf frohes Wiedersehen!«
    *

Auf dem Bahnhof in Genthin, wo infolge Zugverspätung längerer Aufenthalt, stürmten der Stationsvorstand und andere Augenzeugen auf ihn ein. »Wir müssen zu Ihrer Kenntnis bringen, daß wenige Tage vor der gottverfluchten Revoluzzerei fremdländische Leute, meist Polen, hier vorbeipassierten. Einigetrugen offene Gewehre, andere schweres Gepäck, wahrscheinlich voll Munition. Sie sind ungehindert nach Berlin gelangt. Hat denn dort die Polizei nichts bemerkt? Die müßte doch den Aufstand vorausgesehen haben.«
    »Es scheint nicht«, versetzte Bismarck kühl. »Sie will keinerlei Symptome bemerkt haben.« In späterer Zeit rechtfertigte sich der Polizeipräsident persönlich bei ihm als dem Vertrauensmann der Konservativen, Bodelschwingh habe ihm sogar gedankt, daß er ihn vor einer Torheit bewahrte, da er schon ernste Maßregeln ergreifen wollte. »Die Leute reden ja ganz verständig.« Es blieb vieles verborgen, man darf aber annehmen, daß manche hochgestellte tatsächlich mit dem Sieg der Demokratie rechneten, obschon natürlich nicht auf so bösartigen Ausbruch gefaßt. Der Premierminister selber, anfangs reaktionär genug, verlor völlig den Kopf, gereizt durch die ewig schwankende Haltung des Königs, seinem Auftreten gegen Prittwitz lag sicher keine antikönigliche Absicht zugrunde, aber er wußte selber nicht mehr, wie er den königlichen Willen auffassen solle. In Magdeburg erlebte der Schönhauser die größte Enttäuschung. Der Adjutant des kommandierenden Generals v. Hedemann nahm seine Eröffnungen sympathisch entgegen, kam aber kurz darauf in den Gasthof, wo Bismarck den Bescheid erwartete. »Mein verehrtester Herr, reisen Sie bitte sofort ab!«
    »Was bedeutet das, Herr Major?«
    »Sie ersparen meinem Chef eine lächerliche Unannehmlichkeit. Sehen Sie, wir beide sind jung, doch der alte Herr kann sich nicht in Ihre Disziplinlosigkeit hineinfinden, wie er sich ausdrückte. Er will Sie als Hochverräter verhaften lassen.«
    »Nur zu! Die anderen Behörden –«
    »Darauf hoffen Sie nicht! Oberpräsident v. Bonin, also unsere höchste Instanz, proklamiert Abwarten, Gewehr bei Fuß. Hier lesen Sie,

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