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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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noch hübsch bei Kräften war, durch solchen Fußtritt aus ihrem halben Zähmungsschlummer erweckte. Ja, man verlieh ihr einen Rechtsboden, Legitimität, wenn sie eine neue Schilderhebung versuchte. Die Frankfurter Reichsverfassung, so schnöde mißhandelt, konnte jetzt dem republikanischen Radikalismus den Vorwand liefern: da sehe man, daß alle Fürsten Verräter an der deutschen Sache seien.
    Die Folgen blieben denn auch nicht aus. Es hagelte Hiobsposten von allen Seiten. In Rheinland und Westfalen, insonderheit in Köln, Düsseldorf, Elberfeld, Krefeld, Hagen, Iserlohn gab es Aufstände und Gehorsamsverweigerung der Landwehr. Das Militär hier den kürzeren ziehend, suchte sich in Sachsen schadlos zu halten, wo die sächsischen Truppen den furchtbaren Dresdner Aufstand nicht niederhalten konnten, und die preußischen sich ihre Revanche holten. Daß außer anderen politischen Industriellen sich auch der russische Flüchtling Bakunin unter den dort Gefangenen befand, begriff man noch nicht in seiner Bedeutung. In Hessen, Bayern, Württemberg kam es zu stürmischen Auftritten, in der bayrischen Pfalz und in Baden riefen provisorische Regierungen die Republik aus, das badische Heer ging zu den Insurgenten über. Das deutsche Parlament, aus Frankfurt nach Stuttgart geflüchtet, bestand nach Ausscheiden der Kaiserlichen nur noch aus Radikalen, wie dem Naturwissenschafter Karl Vogt und dem Breslauer Juristen H. Simon. Der Vorsitzende Löwe-Calbe und der zweite Obmann Ludwig Uhland, der hier eine bei Dichtern seltene Tapferkeit bewies, zählten im Hotel Marquard die Häupter ihrer Lieben, und es fehlte manch teures Haupt.
    Mit den sogenannten Reichstruppen des preußischen Generals Peuker wären die Aufständischen längst fertig geworden, doch einer großen Übermacht preußischer Truppen unter dem kommandierenden Kriegschef Prinz von Preußen erlagen sie nach sehr tapferer, längerer Gegenwehr. Der alte polnische Unheilstifter Mierolawski und andere Zivilisten verrieten dabei kriegerische Begabung. Ein Beweis, daß bei breiterer Organisierung und weiterem Ausgreifen die Revolution in Süd- und Westdeutschland gesiegt haben könnte. Auch ein Teil des bayrischen Heeres stand auf dem Punkte, zu meutern und die Waffen für die Empörung zu erheben. Otto traf bei einem Abstecher nach Berlin den bayrischen Gesandten Graf Lerchenfeld und sagte ihm auf den Kopf zu: »Gott gebe, daß Ihre unsicheren Elemente abfallen, dann wird der Kampf entscheidend und heilt das Geschwür, das aber fortwuchern wird, wenn Sie mit den Meuterern Frieden machen.«
    »Ach Sie!« Lerchenfeld verhehlte nicht seine Bestürzung. »Ihre Feinde, Herr v. Bismarck, nennen Sie leichtsinnig, und mir scheint, Sie spielen gern mit dem Feuer.«
    »O ja, mit Feuer und Schwert, wenn's sein muß. Seien Sie unbesorgt, wir Preußen reißen Ihre Sache durch, je toller, desto besser.«
    »Ich glaube Ihnen nicht. Allein, Ihre Zuversicht hat etwas Ermutigendes.«
    Seine helle Freude hatte Otto am Auftreten des Prinzen von Preußen, an dem Nachdruck, mit dem er den Krieg führte, an dem Stolz, womit er absichtlich verspätete Beihilfe österreichischer Truppen zurückwies. Der sonst überaus humane und gewissenhafte Prinz entfaltete bei den Kriegsgerichten unerbittliche Strenge. Vor allem ließ er keine Gnade walten gegen geborene Preußen in den Reihen der Aufrührer. Der beste unter diesen, der Offizier Friedrich Freiherr v. Beust, rettete sich nach der Schweiz, wo er jeden Titel ablegte und als Leiter einer Musterschule hochbetagt starb, nachdem seine schöne und geistig hochstehende Braut ihm auf romantische Weise dorthin als Gemahlin folgte. Auch die Maulhelden Hecker und Struwe entkamen. Bis in Bismarcks Kreise drang nachher das Lied: »Wenn sie werden fragen, lebt der Hecker noch? denen sollt ihr sagen, Hecker hänget hoch! Nicht an einem Baume, nicht an einem Strick, sondern an dem Traume deutscher Republik!« Ein wieherndes Gelächter begrüßte diese Versprobe, die Junker wußten sich nicht zu lassen vor Vergnügen.
    »Träume sind Schäume!« lachte Herr v. Kleist-Retzow. »Doch zu dem Strick kann dem Burschen noch geholfen werden, wenn er sich je wieder mausig macht. Ich wollte nur, man könnte unsere eigenen Heckers hängen, die mit dem Kammermandat.«
    Er erinnerte Otto an eine deutsche Marseillaise, die einige Deputierte bei der Gedenkfeier für den 18. März sangen: »Wir färben recht, wir färben gut, wir färben mit Tyrannenblut.« Ottohatte dies in

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