Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
der Kammer zitiert und die Gewissensfrage gestellt, mit wessen Blut sie ihr Banner färben wollten? unter heftigem Murren und Zischen.
    In die neue Kammer, die am 7. August eröffnet werden sollte, mußte er sich wieder wählen lassen und schied Mitte Juli von Reinfeld. Als er abfuhr, stand die Gattin auf einem Hügel zwischen Kieferbüschen und winkte mit dem Taschentuch, und ihm liefen die hellen Tränen herunter. In Schlawe trank er räucherige Bouillon und dachte an seine Brautfahrt, wo hier bezechte Offiziere mit ihm anstießen. »Gestatten Sie, mein Name ist v. Löper«, stellte sich ihm ein gesprächiger Herr vor, der ihn bis Cöslin langweilte, wo er dem Kultusminister Schwerin in die Arme lief, einem geschworenen Gegner, der ihm aber die Ehre antat, bis Naugard zu schnarchen und dann bis Stettin seine Weisheit auszukramen, ein guter Mensch, aber unverbesserlich. In Stettin bekam er schlimmes Reisegepäck in zwei Damen aus Posen, die über polnische Räubereien wehklagten und ihn in Berlin graziös Gepäckträger und Droschke bezahlen ließen, ehe er sie in Meinhards Hotel absetzte. Sein Schwager Arnim war auch kein erfreuliches Anhängsel, als Otto ihn spät abends aus dem Schlaf weckte und er ihm wieder zwischen den Händen entschlief. Die Schwester, wieder von einem dicken Bengel entbunden, blühte wie eine Rosenknospe.
    Es schlug elf auf der Turmuhr, als er in Schönhausen ankam. Hildebrand lief mit freudigem Grinsen ihm entgegen und spannte die Pferde aus, der Gutsherr steckte an traniger Lampe seinen Wachsstock an, fand kalte Taube vorrätig und schlief wie ein Ratz. Am anderen Morgen war Wahlgang in der Kirche. Der Vorsitzende Münch zeigte ihm vier sonderbare Gestalten. »Das sind hier außen Demokraten, Gastwirt Robenow, zwei Schäfer und ein Blödsinniger.« Mit Stadtrat Gärtner überwarf sich der Schönhauser beinahe, weil dieser um Gottes willen die Demokraten nicht reizen wollte, die am Ende die Gegend aufwiegeln könnten. Er schlug dessen Mittagstafel aus und labte sich lieber als richtiger Landmann an einer riesigen Schüssel Kohlrabi mit dem alten Verwalter Bellin. Abends auf der Bank vor der Gartenstube, wo er zwei Stunden lang balsamische Lüfte einsog, dachte er an alte Tage vor zwei Jahren und pries sein Schicksal ruhigen Glückes in stiller Häuslichkeit. Deshalb müsse Johanna, schrieb er ihr, den bösen Geistern entgegenwirken, die sie mit krankhaften Angstgebilden plagen wollten. Gottes starke Hand sei über ihnen.
    *

Er saß wieder in Brandenburg, und das Zuchthaus tat ihm auf den Mutterschoß, d. h. er wohnte in der Strafanstalt bei Barschall. Base Franziska, die er »Ziß« taufte, schenkte ihm gerade Kaffee ein, als ihm Barschall betrübt meldete, an Wiederwahlsei wohl nicht zu denken. »In Genthin sagen sie auch, sie wollen gern, aber sie bringen Sie nicht durch. Die Roten schüttelt man ab, aber nun haben die Wahlmänner sich auch den Rücken gedeckt, um gegen alles Front zu machen, was – was –«
    »Frei heraus, was nach Reaktion riecht, he! Ich rieche den Braten. Im Hintergrund reiben die Roten sich die Hände. Vetter Pobenow hat da so eine saftige Redensart, die ich mir in Anwesenheit von Damen verkneife. Na, wenn mich Vetter Gustav nicht in Stolpe durchbringt, hoffe ich, noch in Ruh' und Frieden mit Hanna am Ostseestrand zu spazieren. Frische Flundern sind auch nicht ohne, und die ganze Wahl ist mir Wurscht.«
    Beim folgenden Wahlkampf mußte er oft herzlich lachen über die Räubergeschichten, die man den Bauern über ihn beibrachte. Aus dem Schönhauserkreise munkelte ihm einer geheimnisvoll zu: »Hört man Ihren Namen bei uns, so lernt man das Gruseln. Man kriegt eine Gänsehaut vor altpreußischen Hieben, die ein Junker uns überzieht. Es ist doch nicht wahr, daß Sie die Fuchtel wieder einführen wollen?« In einer Versammlung schrie ein gelehrter Demokrat, der Grillparzers Ahnfrau gelesen hatte: »Den Schönhauser wollt ihr wählen, der in des Landmanns Nachtgebet dicht neben an dem Teufel steht?«
    Er war immer die Sanftmut selber gegen die gemeinen Leute gewesen. Mit bitterem Lächeln dachte er an Byrons Spott: Ich, der mildeste, sanfteste der Menschen, der nie etwas besonders Ungütiges tat, ich gelte natürlich als Menschenhasser. »Weil ihr mich haßt, ich nicht euch.« Das paßte freilich nicht ganz, denn in vorigem Jahre hatte Otto genug Haß aufgespeichert, der schon verschimmelt und abgelagert war. Besser paßte ihm Hamlets Selbstbezeichnung: »Wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher