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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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murrte Gerlach. »Österreich wird sich gerade genieren, uns solche Treue so zu vergelten – man kennt ja das Sprichwort: Dank vom Hause Österreich!«
    »Hoffentlich spürt auch der Zar etwas davon«, murmelte Bismarck. »Denn sonst ist unsere Lage so schief wie möglich. Rußland will uns nicht mehr wohl, überträgt seine Sympathie auf Franz Josef, und mit Österreich sind wir heimlich brouilliert, weil es die deutschen Kaiserangebote nie verzeihen wird. So geht es Zartfühlenden, die niemand verletzen wollen, sie sitzen zwischen zwei Stühlen. Meinen Sie überhaupt, daß wenigstens Sachsen und Hannover es ehrlich mit uns meinen?«
    »Keine Spur. Zwar schlossen sich ja noch 21 Kleinstaaten dem Dreikönigsbündnis an, doch der König will selbst den Schein einer Pression auf die Süddeutschen vermeiden, und wir wissen via London von perfiden Offenheiten Hannoverscher Diplomaten, daß sie und Herr v. Beust in Sachsen dem Volke nur den Glauben beibringen wollen, man wünsche ernstlich die deutsche Einheit.« Der geistreiche General stöhnte tief: »Wieder ein Schlag ins Wasser!«
    Otto sann einen Augenblick nach. »Das übrige Deutschland gleicht eigentlich einem Phäakenlande, wohin nur ganz zufällig ein Odysseus sich verirren könnte. Im vorigen Jahr waren die Dynastien schon vorher geschlagen durch abergläubische Angst vor dem Revolutionsgespenst. Heute wurden sie mit Preußens Hilfe wieder keck und überheben sich. Die Hoffnung, sich mit ihnen gut zu stellen und so etwas für Preußen zu erreichen, fällt auf unfruchtbaren Boden. Mit der Frankfurterei ging es nicht, die Revolution wollte uns nur benutzen, die Kleinstaaten aufzufressen, bis das dumme Preußen, alleinstehend, erst recht verspeist werden sollte. Aber mit den Fürsten geht es auch nicht, wenigstens nicht jetzt. Ja, eines ginge wohl, doch der Gedanke ist so groß, daß er wie Träumerei aussieht.«
    »Und das wäre?« fragte der geistreiche General gespannt.
    »Gegen die Revolution und gegen die Fürsten. Allein durch eigene Kraft.«
    »Aber, Mann Gottes, wo steckt diese Kraft?«
    »Und das fragen Sie noch? In der preußischen Armee . Unsere Militärmacht in den Vordergrund stellen ist überhaupt die richtige Realpolitik. Fast alle, auch den König, betäubt der Lärm der sogenannten öffentlichen Meinung in Parlament und Zeitungen, als sei dies der Barometer der allgemeinen Stimmung. Die realen Kräfte sind meist unartikuliert und stumm, doch sie entscheiden. Als Historiker wie Raumer und Dichter wie der alte Arndt mit poetischem Schwunge die Kaiserkrone vor den König hinlegten, erschien ihm dies geradeso bedeutend, wie den höheren Zehntausend der Gebildeten. In Wahrheit ist es nichts. VonMillionen Bauern und Arbeitern, aus denen unsere Bataillone sich rekrutieren, hört nicht einer auch nur den Namen dieser Berühmtheiten. Wozu also nach Popularität bei Tagespresse und Parlamentsrednern haschen und sich fürchten, die Historiker würden uns eine schlechte Note in ihren Geschichtsbüchern geben! In der Geschichte wie im praktischen Leben entscheidet nur der äußere Erfolg.«
    »Sie vergessen noch den Einfluß von englischer Seite und sonstwoher von verwandten Fürstenhäusern«, raunte Gerlach leise. »Daß nur um Gottes willen man nicht über unsere Reaktion die Nase rümpfe! Und dann die ewigen Finanzschwierigkeiten, da liberal angehauchte Minister natürlich Geld für jede Reform übrig haben, nur nicht für Militärreform. Ganz im Vertrauen herrscht auch bei höheren Beamten und an gewissen liberalen Stellen bei Hofe – Sie fühlen, wohin ich ziele – die Befürchtung, Seine Majestät würden bei sorgenfreier Benutzung ihrer Macht sogleich wieder in absolutische Bahn einlenken. Das mag schon damals Bodelschwinghs sonderbares Betragen bestimmt haben. Ich glaube, selbst Kabinettsrat Niebuhr ist nicht frei davon. Deshalb schürt man künstlich des Herrn Gewissensskrupel und Bedenklichkeiten.« –
    Ja, es ist ein Elend mit dem König! dachte Otto, als er nach Hause ging. Launen von heute auf morgen, ewige Widersprüche, Order, Konterorder, Desorder. Doch le vin est tiré, il faut le boire . Es ist nun mal so, ein großer Aufwand ist schmählich vertan, alles wird im Sande verlaufen, alles bleibt beim alten, und von deutscher Einheit werden wir lange kein Sterbenswörtchen mehr hören. Doch, wie Gott will!
    Wäre denn der König überhaupt der Mann danach, das Faustrecht militärischer Gewalt zu proklamieren? Mitnichten. Und wir müßten

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