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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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bezahlen, wenn sie für Geld gezeigt würde. Ein Bild ohne Gnade, das man besichtigt wie ein Porträt von Gainsborough. Wie gleichgültig mir doch alle diese Venusse sind! Könnte ich nur wieder mit meinem Liebling, dem süßen Engel, hinter dem roten Vorhang schlafen, und morgens zusammen Tee trinken! –
    Die Schwester hatte wieder mal Taufe. Der glückliche Papa befand sich jedoch in Prenzlau, wo er sein Gut Mittenwalde an einen Pächter übergab. Otto erinnerte sich der Kniephofer Zeit, wo er noch ganz in solch kleinlichen Privatgeschäften aufging. Das war nun anders geworden, er war ein einflußreicher Mann, aber doch sozusagen platonisch ohne Staatsstellung, die er auch gar nicht wünschte. Im Grunde blieb der Rittergutsbesitzer in ihm das Maßgebende. Wenn er einen lieben Brief von Nanne erhielt, berauschte er sich beinahe in allzuviel Champagner. Sonst saß er abends auf rotem Plüschsofa und braute sich einen von Malwine geschenkten Tee in einem messingenen Sonntagskessel, den ihm die Wirtin eigenhändig blank putzte. Diese friedfertige Junggesellenehe mit Hans Kleist-Retzow war aber nicht ganz nach seinem Geschmack.
    Im Tiergarten kannten seine Pferde schon jeden Stein und jede Vertiefung im Boden, weil er stets die gleichen Wege ritt und fuhr. Im Landtag langweilte er sich gräßlich, machte aber einen Ausfall gegen die Zentrumspartei Auerswald und rühmte sich schon, ihr ein paar Dutzende Anhänger abspenstig gemacht zu haben, die sogenannten Zentrümer, die Gemäßigten, bei denen viele Wohlmeinende hängenblieben und wie arglose Fische im Netz der Phrase sich verfingen. Diese braven Leute und schlechten Musikanten wußten wirklich nicht, was sie wollten, stimmten aber unentwegt weiter für jedes radikale Amendement, sobald es »verfassungstreu« klang.
    Hänschen Retzow kam sich unendlich wichtig vor, da er viele Besuche empfing. Ein langer Landjunker, v. Pannwitz, saß den ganzen Morgen da, ohne den Mund aufzutun. Ein Herr v. Höfel aus Studaitz und fünf Dorfschulzen und Bürgermeister vertrieben Otto aus dem gemeinsamen Wohnzimmer, so daß er in sein Schlafstübchen ging und den hohen Himmel betrachtete. Drinnen wurde lebhaft politisiert, er hörte jedes Wort.
    »Hoho, unsere Frankfurtianer sehen aus wie trauernde Lohgerber,denen die Felle wegschwimmen. Die Ungarn sind futsch. Auerswald jammert, Görgey sei bestochen. Der große Zar! Welch ein Mann, welche Großmut! Wie er ohne jeden Eigennutz dem jungen Kaiser Franz Josef seine Monarchie zurückgibt! Alles für die gute Sache gegen den gemeinsamen Feind, die höllische Revolution!«
    Ach Gott, was kümmern wohl den süßen Himmel dort oben alle höllischen Quacksalbereien! Lauter kleine Wolkenschäfchen färben sich abendrot über den Wipfeln vom Park Prinz Karls, über der langen Friedrichstraße eine lange blaue Strecke goldighell und unbewölkt. So sahen wir's, Nanne und ich, in Venedig. Der Himmel ist über uns allen, sagt Cassio, und ich will beten gehen.
    »Venedig ist gefallen!« jauchzte Hans drinnen, da ein Extrablatt der Vossischen Zeitung soeben die Nachricht ausrief: »Ergab sich auf Gnade und Ungnade!«
    Ooch 'n Genuß! Jedenfalls können wir wieder ungestört hinreisen und die große Pauke und die Holztrommeln der Musikkapelle auf der Piazza hören und die langen Weißröcke vom Grenadierkorps auf Posten ziehen sehen. Wie naiv übrigens Hans ist! Wahrscheinlich freut sich auch der König über Österreichs Wiederherstellung und Intimität mit Rußland! Als ob der Zar nun nicht väterlich den jungen Kaiserpflegling begönnern und uns die kalte Schulter zeigen wird! Unsere Koalition mit Liberalität war ihm ohnehin ein Greuel und ein Erstarken Preußens oder gar eines einigen Deutschland behagt ihn gewiß nicht. Hätte man das Interregnum benutzt, im vorigen Herbst und jetzt gar im Frühjahr, wo der Donaustaat nicht den kleinen Finger mehr ausstrecken konnte, um in der deutschen Pastete zu rühren, dann wäre Preußen alleinherrschend bis zum Bodensee geworden, und ohne daß man mit der Revolution verhandeln mußte. So aber beginnt der alte Tanz von neuem, Österreich wird nie die preußische Suprematie anerkennen, wir stehen jetzt einsam da, verhaßt den Völkern draußen, und von den Fürsten beargwohnt. Na, mir soll's recht sein, solange wir wenigstens im Innern unser Haus wieder in Ordnung bringen. Je m'en moque über das Kammer-Strohdreschen.
    »Onkel Ludwig« Gerlach hielt jetzt als Abgeordneter viele rechtskräftige

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