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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Tribunalsreden. Bethmann-Hollweg, eine neue parlamentarische Größe, lavierte zwischen Konservativen und Gemäßigten nach dem Wind. Ein jüdischer Gelehrter Stahl tauchte als Kirchenlicht der Kreuzzeitung auf und verherrlichte das mystische Gottesgnadenrecht Friedrich Wilhelms mit talmudischer Spitzfindigkeit. Die Liberalen vom Schlage des gewesenen Ministers Camphausen behielten aber doch Oberwasser.
    »Die alte Frankfurtei wie unter dem Königsberger Juden Simson!« jammerte Kleist-Retzow. »Was soll aus dem Salat werden!«
    »Bah, er wird kalt serviert mit Öl und Essig von Ideologie,dazwischen gehackt Beckerathscher Blumenkohl! Diese professoralen Klopffechter sind doch nur Jünglinge mit Kinderkrankheiten, die sentimental in die Mondscheinnacht hinein romantische Luftschlösser bauen und auf ihr Schicksal warten, das ihnen irgendeine Austerlitzsonne bescheren wird.«
    Hans wieherte vor Vergnügen und erkundigte sich ehrfurchtsvoll, wie Otto gestern bei Prinz Albrecht speiste. Dieser hatte die quängliche, eigensinnige Bevormundung des grauen Männchens satt und brachte ihm scherzend bei: »Wir leben zusammen als Staatenbund, nicht als Bundesstaat, was 'ne faule Sache is!«
    »Aber wir werden jetzt daran glauben müssen, seit Majestät den Dreikönigsbund mit Sachsen und Hannover schloß.«
    »Ach, das ist so'n geschriebener Traktat, ein Stück Papier. Daraus wird nichts Lebendiges.«
    Bei Schwager Oskar Arnim traf er die Karlsburger Kusine Gräfin Karoline, die in Hannover zu Besuch gewesen war, und erkundigte sich bei der klugen Frau, ob sie dort in Hofkreisen etwas von »nationaler« Schwärmerei für Preußen entdeckt habe. Sie verneinte kleinlaut. Einen besonderen Zahn hatte Otto auf den sowohl liberalisierenden als katholisierenden General von Radowitz, den geheimen Ratgeber des Königs, er packte ihn häufig in der Kreuzzeitung an, in Anonymität gehüllt. Mit Verdruß bemerkte er übrigens, daß die starr konservative Gesinnung, die er seit den Märztagen wie einen Harnisch anschnallte, in der eigenen Familie auf Widerspruch stieß. Die Schwiegermama hatte bei aller Frömmigkeit in ihrer Jugend die humanitären Grundsätze der Befreiungskriege eingesogen, er ertappte sie sogar bei einiger Zuneigung für Rousseaus Utopien. Die Reddenthiner dachten konstitutionell, und sein Schwager hatte zwar junkerliche Anwandlungen und saß stramm zu Pferde, litt aber an einer Blasiertheit und religiösen Gleichgültigkeit, die eine wirkliche Übereinstimmung mit Ottos Lebensernst nicht aufkommen ließ.
    »Du wirst dich noch zu Tode langweilen«, warnte er, als er in der Dragonerkaserne mit ihm und Vetter Fritz Bismarck-Bohlen, jetzt Rittmeister, und dem Flügeladjutanten Graf Oriola allzuviel Champagner trank.
    »Und du, mach' mir doch keine Wippchen vor! Meine Herren, der mopst sich entsetzlich und will hier Bilder rausstecken! Gestern warst du beiläufig recht lau und flau in deiner Fehde mit Beckerath. Die Vossische und Spenersche übergießen dich mit Druckerschwärze. Das ist keine Schokolade.«
    »Ich hatte Stockschnupfen und vergaß wie vernagelt meine besten Points. Gott mochte es nicht wollen.«
    Oriola lächelte überlegen, und Arnim rief: »Wichtigkeit! Der liebe Gott wird sich schön hüten, dir deine Reden zu inspirieren. So is er nu!«
    »Glauben Sie denn ernsthaft an eine persönliche Vorsehung?« fragte Oriola neugierig.
    »Der große Gott, der Welten dreht, kann auch mich mit seinen Flügeln decken«, erwiderte Otto einfach und ruhig. »Ich weiß, lieber Graf, daß sie unchristlich denken, wie viele am Hof und in höheren Beamtenkreisen, im Gegensatz zu unserem Herrscherhause. Doch ich sehe an Oskar, wohin das führt, und habe es selber durchgemacht. Der Glaube versetzt Berge, ohne ihn liegt es bergschwer auf der Brust.«
    »Ich bestreite aber, daß es dazu des Christentums bedarf«, trumpfte Oriola auf. Seine einst portugiesisch-jüdische Herkunft mochte dabei im Blute mitreden. »Der Glaube an die Menschheit, ihre Vervollkommnung und glückliche Zukunft beseligt mich. Ich für mein Teil bin Philanthrop und finde darin Befriedigung meines Gemütes.«
    Otto lächelte bitter. »Zu solcher Höhe selbstloser Menschenliebe vermag ich mich nicht aufzuschwingen. Ich brauche einen Gott und sein Sittengesetz, um meine bestialisch-kannibalische Natur zu zähmen. Ich bin leidlich tugendhaft, sagt Hamlet, und doch habe ich mehr Sünden als Haare auf dem Kopfe, wenigstens sündige Triebe und Anfälle. Die muß

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