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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Wahlagitation mußten für ihre Zwecke herhalten.
    Auf Ottos ausweichende Antwort, man sei in England wohl schlecht unterrichtet, zuckte Howard die Achseln. »Vielleicht doch nicht. Man nennt Sie hier im eigenen Lande, verzeihen Sie, die Rückschrittspartei. Ich lese Ihr Leibblatt, die Kreuzzeitung, und gestatte mir als Ausländer keine Kritik, doch unseren englischen Begriffen von politischem Anstand entspricht das nicht.« Es ließ sich nicht in Abrede stellen, daß die Kreuzzeitung schon jetzt den Grundstein ihres nachherigen Rufes legte als des nichtswürdigsten Zeitungswisches, der je die öffentliche Meinung verunzierte. Polternde Rüpelei, wie sie im Landtag aus dem Munde eines dummen Junkers nur Gelächter erregte, konnte hier straflos belfern, gewürzt mit schamlosen Denunziationen gegen jeden, der nicht dem rohesten Absolutismus huldigte, nicht etwa nur des Königtums, sondern des Adels, der Offiziere und protestantischen Pfaffen. Ein Hexensabbat von Niedertracht, der bald auch schwerste Rechtsbrüche nicht scheute und Preußen zu einem Polizeistaat im Sinne des guten Koaser Franzl erniedrigte. Otto mußte zu Howards scharfen Rügen schweigen und das Gespräch abbrechen, denn mit England sich verfeinden durfte man nicht wagen.
    Das gesellschaftliche Leben, schon damals ungeheuer ausgebildet in Berlin (siehe darüber Schopenhauers Brandmarkung der affenhaften »Geselligkeit«), haßte er so bitter, daß er bei Ebernhard Stolberg, mit dem er sich duzte, Tee trank, wenn er auf drei Soireen hätte antreten sollen. »Sie sieht man auch nirgends, uns schneiden Sie ja«, schalt ihn Frau Professor Stahl, deren phantastisches Kostüm ihn anekelte, womit die kluge Dame Aufsehen erregen wollte. Aber als sie mit großem Eifer von seiner vortrefflichen Gattin sprach, verzieh er ihr alles und erklärte sie für eine kreuzbrave Frau. Dagegen berührte ihn peinlich genug der Bruderzwist im Hause Habsburg zwischen PräsidentGerlach und General Leopold, denen er beiden in Freundschaft zugetan. Bei des ersteren Geburtstag, wo Otto und der graue Hans und Stahl ein Stammalbum überreichten, ging Polte am Geburtstagskind mit einer Gebärde, die einem Handgeben glich, kühl vorüber, ohne ein Wort zu sagen. Die Präsidentin mahnte: »Heute ist Ludwigs Geburtstag.« Der General drückte die Stirne an die Fensterscheibe: »Ich gratulierte ihm schon.«
    Otto aber amüsierte sich nicht über die stumme Bruderszene, sondern dachte wehmütig: Querelle Alemande ! Natürlich politische Differenzen! Brave deutsche Männer! Deutsch sein, heißt sachlich sein. Sachfeinde und Sachfreunde, daneben gilt das Private und Persönliche nichts. Wäre die ganze deutsche Nation so, wie diese geschmähten Adeligen, dann würden wir uns zwar an der Kehle kriegen, aber uns danach auf dem vernünftigen Sachboden einigen. Gegen überzeugte Rote habe ich ja innerlich auch nichts, ich möchte sie umbringen, aber mit Respekt, nur die elenden Poseure, die sich an ihrer eigenen Windbeutelei berauschen, sind jedes Fußtritts würdig. –
    Vinckes westfälische spitze Zunge sprudelte wieder Wasserfälle, doch sein Ansehen schwand schon so, daß man gegen ihn einen gewissen Winzler losließ, der wie der Mittler in Goethes Wahlverwandtschaften von einem zum andern lief und als Wilder abwechselnd bei beiden Partien hospitierte. Als Otto gerade beim russischen Gesandten Budberg zu Tische saß, stürzte ein Diener herein: »Die Zweite Kammer brennt.« – »Gott sei gelobt!« rief Otto und stürzte seinerseits unverfroren ein Glas eisgekühlten Champagners hinunter. Doch sein leichtsinniger Humor fand die gerechte Strafe, denn die Erste Kammer, das Herrenhaus brannte. Es war ein zauberhaftes Schauspiel, denn die Werdersche Kirche und das Schauspielhaus wurden förmliche Transparente, vom Brande beleuchtet. Otto hörte von den Zuschauern die schnoddrigsten Witze. »Siehste, da brennt Vinckes Rechtsboden.« »Und Bismarckens jugendliche Illusion!« »Det sind doch offenbar die brennenden Fragen!« »Wer sollte jloben, bat det olle Ding so ville Feuer in sich hätte!« »Endlich jeht ihr een Licht uf!« Als Zwischenakt wurden das Herrenhaus ausgepfiffen und die Polizei verprügelt. Na also, die Marterkammer des »Unterhauses« steht noch. –
    *

In der Lästerallee am Hofjäger stieß er eines Nachmittags, als er dort lustwandelte und sich am schon sommergrünen Rasen ergötzte, auf einen hocheleganten Herrn, der mit ausgebreiteten Armen stehenblieb. »Sehe ich Sie

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