Bismarck 01
endlich wieder, mon vieux ?«
»Grüß Gott, Harry, ich dachte, Sie wären in Italien.«
»In Mission hier«, winkte Harry Arnim geheimnisvoll ab. »Mein Innenleben geht jetzt auf in dem da!« Er wies mit anmutiger Handgebärde auf seinen säugenden Stammhalter, den eineauffallend in Arnimschen Wappenfarben dekorierte Spreewälder Amme trug.
»Ah, gratuliere, wie geht's denn Elise?« Die Gattin Harrys, geb. v. Prittwitz, führte ein unscheinbares Dasein neben ihrem genial-dämonisch-romantischen Gatten.
»Danke der Nachfrage, etwas leidend«, versetzte der Graf kühl und ergoß sich dann in Extase über die Geistesgaben des Säuglings, über dessen künftigem Genie er segnend schwebte. »Es ist doch ein erhabenes Gefühl, Vater zu sein. Sie kennen das ja auch, Otto. Doch Sie nahmen die Seelenprobleme ja immer leichter als ich.« Da hörte denn doch Verschiedenes auf! Dies Modekupfer für männliche Schönheit mimt den ernsten Familienvater hier, wo die Spatzen auf den Dächern seine Lebemannsstreiche pfeifen! In der Tat biß Graf Harry, eine blendende Kavaliererscheinung, jetzt eine feierliche Würde heraus, wie sie am Hof dieses allerchristlichsten Monarchen zum guten Ton gehörte. Auch machte er in ästhetischer Bildung mit Schleinitz zusammen in den Teekränzchen der Prinzeß Augusta.
»Ihre parlamentarischen Erfolge,« fuhr er gönnerhaft fort, »sind bemerkenswert, ruhen aber wohl jetzt auf ihren Lorbeeren aus, denn die günstige Konjunktur für das laute Kammergeschrei ist vorüber. Wir Diplomaten machen nicht so viel Lärm, wir wirken im stillen.« Ja, verflucht! Sehr im stillen! Die ganze Diplomatie zeichnet sich besonders durch Schwerhörigkeit aus und weiß nie, was die Stunde schlägt. Es liegt im System. Die Gesandten machen sich lieb Kind bei den Höfen, wo sie akkreditiert sind, und so streut man ihnen jeden Sand in die Augen. Der arme Steuerzahler bezahlt die hohen Gehälter und Repräsentationskosten und kriegt nichts für sein liebes Geld. Wir werden zu schlecht bedient, diese Aktenklauber und Siegellackspritzer repräsentieren nichts als die eigene Eitelkeit. Zuletzt kann nur der Säbel gutmachen, was die Feder verdarb. »Ein bedeutender Posten ist jetzt fällig«, warf Arnim hin, der gern fachsimpelte, »Bevollmächtigter zum Bundestag. Wer da wohl Aussichten hat!« Otto zuckte die Achseln, was ging's ihn an!
Stundenlang lief er quer durch den Tiergarten bis zum Charlottenburger Salzufer am Charlottenburger Zollhaus auf der Chaussee, froh wie ein Schulknabe, wenn die Klasse aus ist. Des Reitens hatte er sich so entwöhnt, daß ihm nach jedem Galopp die Glieder schmerzten. »Ich schwitze wie ein Pferd«, bekannte er dem Schwager Oskar, der ein reizendes englisches Vollblut ritt, weil er mehr Moneten hatte. Auf einem Rout bei der schwedischen Gesandtin d'Ohlson erfuhr er von Manteuffel, daß eine neue Radowitz-Intrige drohe, und der König ungnädig gestimmt sei. »Am Hofe sind viele mir spinnefeind. Ach, wenn ich dort einen guten Freund hätte wie Sie! Möchten Sie nicht Kammerherr werden?«
»Jammerherr? das verbitt ich mir. Wenn ich mich gut aufführe,habe ich begründete Hoffnung zu bleiben, was ich bin, bis ich mal als alter Herr in Schönhausen Landrat werde. Höher versteigt sich mein Ehrgeiz nicht.«
Dagegen redete ihm Pastor Knack ins Gewissen, daß er ehrgeizig und weltlich sei, auch sein Tanzen und Theaterlieben sei sündhaft. Dies Zelotentum machte ihm geistiges Sodbrennen. »Nun ja, man ist wie eine lahme Ente am Ufer der großen Wasser, über denen Gottes Geist schwebt«, bemerkte er zum grauen Hans, »nur ein Adler kann da hinüberfliegen. Doch uns mindere Sterbliche so mutlos machen, ist auch kein Christentum. Man wird schon mutlos genug, wenn man das Leben prüft. Da ist dem braven Wagener seine liebe Frau Rose im Kindbett gestorben, und dazu hat er bösen Prozeß mit der Seehandlung, wobei ich als Zeuge geladen bin. Womit hat der tüchtige Mensch das verdient? Und der brave Reibnitz von der Gardeartillerie, der am schändlichen Märztag Schloß Monbijou so wacker gegen die Aufrührer verteidigte, hat sich gestern schuldenhalber erschossen. Der verdiente auch ein besseres Los.«
»Die Wege des Herrn sind über unser Verständnis«, predigte der künftige Präsident, der im Bewußtsein seiner hohen Zukunft schon sehr zugeknöpft wurde. »Deine Zweifel an der Allweisheit unseres Vaters im Himmel betrüben mein treues Herz. Ich werde für dich beten.«
Essen tat er für zwei
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