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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Zeit, wo der Bundestag die auswärtigen Geschäfte der Nation führte.« Das hieß den Geist Metternichs beschwören, welcher alte Gauner im vorigen Herbst wieder fröhlich in Wien einzog, um recht deutlich zu veranschaulichen, daß alles beim alten blieb. Dies neubelebte Gespenst der heiligen Allianz, dies erlauchte Vorbild der legitimistischen Kabinettspolitik, die in seidenen Unterröcken der Boudoirs besser Bescheid wußte als in Naturgesetzen der Nationalitäten, sollte wieder auferstehen? Doch so gerechte Flüche, den alten Bundestag früher begruben, und so widerwärtig obiger Lobspruch anmutete, so daß die Liberalen meinten, jemand müsse eine eiserne Stirn haben, um so etwas zu behaupten, durfte sich Otto sagen, daß er seltsamerweise nicht die Wahrheit fälschte. Denn vom inneren Treiben des Bundestages sprach er ja nicht, sondern von der äußeren Fassade. Und da muß man anerkennen, daß neben der völligen Zerrissenheit und Spaltung deutscher Stämme seit Untergang der Staufen bis zum zweiten Pariser Frieden die Einheit Deutschlands und Österreichs im Bundestag in schwarzrotgoldenem Licht erstrahlte. Und vollends heut das Ende der neuen Ära – was hatte sie gebracht als Verschärfung der allgemeinen Zwietracht, nicht nur der Völker und Regierungen, sondern der Regierungen untereinander? Wenn Otto vor dem Phaethonflug neupreußischen Strebens in Schleswig-Holstein früher warnte, jetzt kroch Preußen wirklich am Boden, ein Lahmer mit verrenkten Gliedern, aus Sonnenhöhe abgestürzt. Daneben war der alte Bundestag noch ein Ideal, und der neue konnte sein Gutes haben. Solange Österreich und Preußen in verschiedener Richtung getrennt jagten, konnte Deutschland glauben, sie rennten nach gleichem Ziel. Erst wenn man die zwei noblen Jagdhunde an einer Leine zusammenkoppelte, mußte den Deutschen offenbar werden, daß sie nach entgegengesetzter Richtung auseinanderstrebten. Bei diesem Gedanken warf Otto die Zigarre aus der Hand und sah in die Ferne, als schwebe ihm ein Heureka vor. Ja, Österreich auf den Leim locken, daß es mit uns zusammen etwas Gemeinsames unternimmt – ca ira , so würde es gehen! – –
    Der kleine Hans tanzte ausgelassen in der Stube herum. »Meine Ernennung zum Präsidenten wird ein Ereignis sein. Das besagt, daß die Krone endgültig der Revolution absagte und sich auf ihre wahren Stützen besinnt, die altpreußischen Königstreuen und Frommen. Die Hydra der Demokratie ist tot.«
    »Das Gleichnis ist etwas übel gewählt«, bemerkte Otto trocken. »Der Hydra wuchsen bekanntlich immer neue Köpfe nach. Glaube nur nicht, daß wir zum letztenmal von den Fortschritts gehört haben. Die schwören auch: Le roi me reverra! Na, vorerst haben wir der Schlange die Zähne ausgebrochen. – Was hast du denn eigentlich, Hänschen?«
    Kleist-Retzow fiel ihm um den Hals: »Ich habe mich verlobt.«
    »Ist's die Möglichkeit! Mit wem denn?«
    »Mit Komtesse Charlotte Stolberg.«
    »Ach, die Fromme! die bei Pastor Schulz in Bethanien Diakonissin werden wollte?«
    »Ja, und nun will sie mich. Ich fahre jetzt nach Wernigerode, und dann wird geheiratet. O, ich möchte alle Welt umarmen! Nun ruhe aller Hader! Ich muß es heut abend allen Freunden im Klub erzählen.«
    »Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein! Na, alter Sauertopf, komm an mein Herz! Seid umschlungen, Millionen!« Nun ist jedermann glücklich, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen, weil ein Hans seine Grete kriegt. Und solcher Kindskopf bildet sich ein, Gott belohne ihn mit besonderer Gnade von wegen seiner Kirchengängerei. »Es ist ja auch eine gute Partie.«
    »Gräfin Ebernhard Stolberg, die ältere, ist eine geborene Prinzeß Reuß«, belehrte Hans würdevoll. »Es ist ein Aufstieg in die höheren Sphären. Morgen früh muß ich nach Potsdam zu Gräfin Keller, meiner künftigen Schwägerin, wo meine Braut wohnt. Ach, wir passen so gut zusammen, beide im Dienste des Herrn, Arbeiter im Weinberg!« Ja, ja, die kleinen Nichtigkeiten gehen so weiter, man freit und wird gefreit, und die großen Fragen der Menschheit bleiben unerledigt. Das deutsche Volk geht wieder an die Arbeit ums tägliche Brot, die oberen Zehntausend amüsieren sich wieder, und von all den hochgespannten Idealen, die seit Jahren in der Luft herumflogen, bleibt nicht einmal ein Sonnenfädchen zurück.
    *

Der Mai war gekommen, und im Vossischen Garten schlug der Flieder aus, es schlugen Nachtigallen, und der grüne Frühling atmete um die Kastanien.

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