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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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bei einem Gastmahl des Lukullus, das Stolberg und Röder, der Bekannte aus Erfurter Zeit, für das Geburtstagskind Otto zusammenstellten, auch der Landrat von Münchhausen des Kreises Jerichow stellte sich ein und versicherte den Schönhauser seiner Protektion.
    »Eigentlich ein komischer Einfall, am 1. April geboren zu werden«, lachte Schwager Oskar. »Von Rechts wegen müßtest du uns alle in den April schicken .« Die Schwester, eine jetzt vornehm aussehende große Dame, schwieg dazu und sah ihren Bruder bedauernd von der Seite an. Sie traute ihm das Zeug zu den gewagtesten Aprilscherzen zu, aber es schien so wenig Aussicht, daß er je etwas Ordentliches würde, was ihn wirklich über die Niederung erhob. Talent haben kann jeder, Titel haben ist die ewige Seligkeit. Als er am andern Morgen mit ihr ausritt, begleitete sie ein Fräulein v. Veltheim aus der Magdeburger Gegend, die neugierig fragte: »Bei uns spricht man oft von Ihnen, aber stellt Sie sich ganz anders vor, wie einen Papa Isegrimm. Ist's denn wahr, daß Sie alle Staatsämter ausschlugen?« Er lachte laut auf: »Man hat mir noch keines angetragen. Ich werd's mir überlegen.«
    Am liebsten wanderte er mutterseelenallein durchs Brandenburger Tor ins Regenwetter hinaus, wo ihn kein Mensch störte, und er seine dicken Reitstiefel durch den Matsch patschen ließ. Dann summte er Zigeunerweisen einer ungarischen Musikkapelle vor sich hin, die gerade in Berlin Furore machte. Er nanntedies »Lenau – Lieder ohne Worte« in alter Anhänglichkeit an den Weltschmerzpoeten seiner Jugend, wie man das Leben verschläft, verträumt, vergeigt und es dreimal verachtet. Diese Schluchzer der Zigeunergeigen klingen krank und weh wie Wolfsgeheul auf unwirtlicher Pußta in öder Herbstnacht... ach, Deutschland war Heuer eine herbstliche Pußta voll von welken Blättern vergilbter Hoffnungen, und viele Wölfe heulten darüber hin. Man muß mit den Wölfen heulen? Kann man nicht lieber ein Feuer anzünden, sie zu verscheuchen?
    *

»Glauben die Leute denn, daß wir kein Preußenherz im Leibe haben?« klagte Wagener sich aus. »Wir fühlen Olmütz so bitter wie jeder andere. Doch wir wollen nicht betrunkene Demagogen, sondern verantwortliche Politiker sein. Und Sie, verehrter Freund, würden mich nicht näher an sich ziehen, Sie würden nicht unser Parteigänger bleiben, wenn die Leitenden der Partei nicht mit den Absichten einverstanden wären, die Sie uns in denkwürdiger Nachtstunde beim Biere mal eröffnet haben, im tiefsten Vertrauen natürlich.«
    »Pst, pst, davon soll man nicht reden!« winkte Otto eilig ab. »Ich gab auch nur so ein paar Fingerzeige... rein vertraulich, zur Anregung... ich hätt' es lieber unterlassen sollen.«
    »Sie haben mich gewürdigt, mir einen Blick in Ihr geheimes Trachten zu erschließen, und ich darf dies wohl in dem Satz zusammenfassen: Rache muß kalt genossen werden.«
    »Die Rache ist mein, ich will vergelten«, mahnte Otto sehr ernst. »Menschliche Kräfte wirken da nichts. Aber wo ein Unrecht geschah, wo frevler Übermut sich zu Ungebühr verstieg, da kommt früher oder später Vergeltung durch Gottes gerechte Hand. Seine Mühlen mahlen langsam, aber sicher. Heut bellt es auf allen Gassen: Reaktion! Das Wort bedeutet Gegenstoß. Wer sagt denn aber, daß bloß die Revolution hier zu reagieren einladet! Es kann auch andere Elemente geben, deren unmäßiges Vordringen einen Rückstoß nach sich zieht nach streng ballistischen Gesetzen. Die Politik im Völkerleben ist im Grunde nur ein Naturprozeß, wie jeder andere. Wer das erkennt, ist ein Staatsmann. Das bloße Fortwursteln der staatlichen Geheimräte ist eitle Quacksalberei und heilt keinen Patienten. An die Naturheilmethode muß man sich halten. – Ja, und was ich sagen wollte,« brach er ironisch ab, »die warme Küche beim k. k. österreichischen Gesandten war gestern wieder ganz vortrefflich. Es geht nix über Weaner Möhlspeis. Die darf man auch kalt genießen, z. B. Apfelstrudel.« –
    In seinem Bestreben, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, gewann er es über sich, in der Kammer allgemeinen Lärm herauszufordern, verbunden mit einem Ordnungsruf, den ihm Präsident Schwerin überflüssigerweise erteilte, indem er für denalten Bundestag eine Lanze brach. »Man Zeige mir eine Periode seit den Tagen der Hohenstaufen, wo Deutschland sich größerer Achtung im Ausland erfreute; einen höheren Grad politischer Einheit, größere Autorität in der Diplomatie, als während der

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