Bismarck 01
zur gleichen Großtat gedrängt, wagte es aber nicht ohne besondere Vollmacht aus Dresden. Indessen verderben böse Beispiele gute Sitten, und bei der folgenden Sitzung schwang sich auch Hannover zu Nikotin auf. Da gab es kein Halten, die Würde Sachsens und auch Württembergs, eines Nichtrauchers, verlangte einen großen Entschluß. Rauchen oder Nichtrauchen war die große Frage. Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern des Rauchgeschicks erdulden oder, sich wappnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sieenden? Nostitz verständigte sich unter vier Augen mit Thun, der gnädig Erlaubnis gewährte, und paffte los, worauf Reinhard ein langes, gelbliches Ding hervorholte und mit Todesverachtung die Hälfte des leichten Krauts in Rauch aufgehen ließ, ein Brandopfer auf dem Altar des Vaterlandes. Da ward die angeborene Farbe der Entschließung von einer Blässe angekränkelt, und Württemberg verließ wankend das Rauchkonzert. Die beiden Hessen sahen als entschlossene Nichtraucher dieser nationalen Katastrophe grimmig zu, ihr Groll gekränkter Würde verdoppelte sich gegen den preußischen Eindringling, der zu solchen Einheitsbestrebungen zwang! –
Im Familienkreis und vor Lynar, dessen weißer Pudel den Kindern ein begehrter Spielkamerad war, machte Otto kein Hehl über die Rollenverteilung im Bundestag, und knöpfte sich über die Möglichkeit auf, eine preußische Partei darin zu schaffen.
»Die zwei Hessen, Württemberg und der unsagbare Holzhausen sind unbelehrbar. Nostitz hat seine Söhne in der österreichischen Armee, hinc illae irae ! Er hat viel Arbeitskraft und Erfahrung, der gescheite Mann wird uns aus persönlichen Motiven möglichst Sachsen entfremden. Schrenck der Bayer ist ein offener Charakter, gefällig, auch praktisch, aber als Jurist etwas doktrinär. Nur muß man seinen reizbaren Partikularismus schonen, das tue ich natürlich und schwatze von Bayerns großer deutscher Mission und den besonderen Vorzügen der bayerischen ›Nation‹. Der Badenser Marschall wäre nützlich, wenn er nicht einen Horror vor jeder Verantwortlichkeit und Unabhängigkeit hegte. Baden ist sich nicht schlüssig, ob es sich für Österreich oder Preußen entscheiden soll. Minder neutral beträgt sich Freiherr v. Dungern, Vertreter für Nassau und Braunschweig, eine verrückte Zusammenstellung, wohl absichtlich von Österreich ersonnen. Der Mann ist so unbedeutend, daß niemand auf ihn achtet, während der oberflächliche Wirrkopf Reinhard sich dadurch wichtig macht, daß er grundsätzlich zu spät in die Sitzungen kommt und dann noch durch Unaufmerksamkeit uns die Zeit stiehlt. Doch Dungern ist Nassauer, daher österreichisch gesinnt, und das preußisch gesinnte Braunschweig mag zusehen, wo es in seinen Händen bleibt. Dagegen hält Oertzen-Mecklenburg zu mir, und ich möchte das gleiche von Bothner sagen, der später unsern wackeren Schele für Hannover ersetzen wird, ein unabhängiger, einnehmender Charakter, der mich wacker gegen Thun unterstützt. Erfreulich ist auch die Haltung des Herrn v. Bülow, Vertreter der Schmerzenskinder Schleswig-Holstein, ein Begabter, mit dem ich gern im Leben geschäftlich beisammenbleiben möchte. Baron Fritsch für die Thüringer Herzogtümer hat den besten Willen für uns, was sich ja von einem seiner Auftraggeber, Herzog Ernst von Koburg, erwarten ließ, leider zu wenig Macht. Herr v. Scherff hat als niederländischer Gesandter für Luxemburg mehr Gewicht, ein gewissenhafter Arbeiterund unser treuer Alliierter, der nicht bloß passiv wie Eisendecher, sondern aktiv für Preußens Rechte eintritt.«
Bei näherer Kenntnis stellte sich also die Beschaffenheit des Bundestages viel günstiger heraus, als Otto anfangs annahm. Nur hatte er von den größeren sieben Kleinstaaten vier gegen sich, zwei waren neutral (Bayern und Baden), die Parteinahme der allermeisten Fürstentümer zweiten Ranges glich dies schwerlich aus.
»Kommst du denn wenigstens äußerlich gut mit den Feinden aus?« fragte Johanna.
»Gott ja! Wir stehen auf dem schönsten Grußfuß, besonders überhäufen mich die Austriaken mit lärmender Bonhomie, durch die ihre Intrigantenfratze hervorschielt. Die anderen Karikaturen von Perückendiplomaten grauer Vorzeit setzen ein offizielles Gesicht auf, wenn ich behaupte, das Wetter sei schön. Das halten sie für eine politische Anspielung. Fordern sie im Bundespalast vom Portier den Schlüssel zum Waschzimmer oder andern Örtlichkeiten, so studieren sie dabei im
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