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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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machen?«
    »Möglich. Karl V. soll von den Deutschen gesagt haben – ein amerikanischer Jugendfreund namens Motley hat mir's zitiert –, sie seien trunksüchtig, träumerisch und unfähig zur Intrige. Mit allem Respekt vor Seiner katholisch-spanischen Majestät möchte ich doch bezweifeln, daß er in die Tiefen unserer Seele blickte. Ich gebe zu, daß wir manchmal träumerisch sind. Bemerken Milady die stille Verzückung, womit Holzhausen die Ordenskette des Herrn v. Tallenay anstaunt. Von Neigung zu edeln Getränken spreche ich uns nicht frei. Aber da wir händelsüchtig sind, so folgen wir edeln deutschen Diplomaten nur unserer Natur, wenn wir uns gegenseitig in die Haare geraten.«
    Lady Cowley lachte. » Querelle Allemande ! Wir waren hier doch so schläfrig, bis Sie uns hier Ihr Pfeffer streuten. Wir gurrten so traut en famille , bis man Ihnen den Taubenschlag öffnete und ein so fremder Vogel mit sonderbarem Gefieder hereinflatterte.«
    Er verbeugte sich. »Wiedehopf oder Rabe?«
    Sie hob leicht ihr Lorgnon. »Ja, wer das wüßte!« Heimlich dachte sie: vielleicht ein Habicht, denn zu einem Adler langt's doch wohl nicht. »Ich kenne mich nicht aus in der Zoologie. Aber wer Sie einen Raben nennt, der bekäme es mit mir zu tun. Den würde ich auf Euer Exzellenz musikalische Stimmung verweisen, die für Nachtigallen schwärmt.«
    »Vielleicht das Gesetz des Gegensatzes«, warf er trocken hin. »Aber nennen wir mich prosaischer den Hecht im Karpfenteich. Ich trübe ein wenig das Wasser.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie ein Lamm sind, und die reißenden Wölfe sich über Sie beklagen? Ach, die armen Schafe! O, Pardon, was rede ich da! Wir sind hier alle weißgewaschene Lämmer, und Sie das weißeste. Was macht Ihre liebe Frau Gemahlin? Sie ist unpäßlich? Wie bedaure ich das! Empfehlen Sie mich Ihrer Exzellenz aufs herzlichste!«
    Als Bismarck sich erhob und verabschiedete, dachte er: nur vor Frauen muß man sich in acht nehmen, die hören das Gras wachsen. Doch sonst fühlte er sich sicher in seiner Rolle als närrischer Brutus. Der einzige unter seinen Kollegen, demeine deutsche Einheit am Herzen lag, Herr v. Eisendecher, Vertreter von Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg-Rudolstadt, ein lebhafter, gesprächiger und wohlmeinender Mann, setzte ihm eines Tages auseinander: »Ich möchte mich Ihnen decouvrieren, weil Sie mir Vertrauen einflößen. Sehen Sie, Preußens Streben nach nationaler Verständigung war ein Fiasko, und es konnte nicht anders sein. Die Gründe kennt jeder. Da bleibt nichts übrig, als enger Bund aller Kleinstaaten untereinander. Ich denke mir unsern Bundestag als starke Zentralgewalt, auch so kommt eine gewisse Einheit zustande.«
    »Und wie denken Sie sich Österreichs Stellungnahme dazu?«
    Eisendecher zuckte die Achseln. »Das gleiche könnten Sie für Preußen fragen. Die beiden Großmächte müssen eben zusehen, ob sie draußen oder drin bleiben wollen. Da sie wohl kaum gleiche Interessen haben, läge natürlich beiden daran, sich der dritten Macht stets anzubequemen. Denn Bayern, Hannover, Sachsen usw. wären vereinigt auch eine Großmacht.«
    Also ein ewiges Balancieren von drei Faktoren mit verschiedener Grundlage und meist auseinandergehenden Absichten! Eine niedliche Einheit! Laut aber äußerte Otto: »Das ist tief und schön gedacht. Ich glaube fast, ich könnte mich dafür erwärmen. Und bitte schlagen Sie sich aus dem Sinn, als ob zwischen Österreich und Preußen ein Antagonismus bestände. Mein allergnädigster Herr hat nur ein Ideal: brüderliche Freundschaft mit Österreich. Dafür bin ich hier, seinen Willen zu tun.« Der andere sah ihn zweifelnd an. »Ja, wahrlich! Aber es versteht sich von selbst, daß Österreich nicht unsere eigenen Rechte verletzt und sich anmaßt, uns wie Untergebene zu behandeln. Auf diesem Punkt bin ich fest, sonst der treueste Anhänger des erlauchten Kaiserstaats.«
    Bei dieser Note blieb er und überzeugte allmählich auch Thun davon, daß es sich nur um Wahrung des äußeren Ansehens handle und der burschikose preußische Junker nichts Böses im Schilde führe. In der symbolischen Zigarrensache, die so viel Rauch aufwirbelte, hatte der Präsident nicht etwa nun zwei Zigarren in jeden Mundwinkel geklemmt, um Österreichs Übergewicht darzutun, sondern vielmehr in einen sauren Apfel gebissen. Denn plötzlich erschien der bayerische Gesandte in einer Sitzung auch mit brennender Zigarre. Der Sachse Nostitz, ein wütender Raucher, fühlte sich

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