Bismarck 01
und Studenten waren 'n bißchen grün, aber ehrliche Kerls, die nichts Böses im Schilde führten. Und ich sage mit Mutter: Otto, mach' was du willst, nur werde mir kein muffiger Reaktionär! Das führt heut nur auf den Holzweg, wo man den Hals bricht.«
*
Der Auskultator Otto v. Bismarck machte also dem Minister Ancillon seine Aufwartung, der ihn ziemlich kühl empfing. »Ihre verehrte Frau Mutter empfiehlt Sie mir mit dem Wunsche, Sie in die diplomatische Laufbahn einzuführen. Wie steht es mit den Sprachen?«
»Ich spreche ziemlich perfekt Französisch und Englisch.«
»Das ist ja gut. Oft gibt Kenntnis des Französischen, besonders in schriftlichem Stil, den Ausschlag. Doch, ehrlich gestanden, unser preußischer Landadel hat seine Schwächen, die für diplomatischen Dienst nicht taugen, besonders der märkische. Eine gewisse Lust am Frondieren muß wohl noch aus den Zeiten der Quitzows stammen. Man kritisiert recht unbefangen, hat aber selbst die empfindlichste Epidermis und sträubt sich als Edelmann, Standesgenossen als gebietende Vorgesetzte über sich zu sehen.«
»Gestatten Exzellenz, beim Militär –«
»Das ist ganz was anderes. Daran ist man seit Friedrich Wilhelm I. gewöhnt, und da kann man auf der langen Stufenleiter wenigstens die eigenen Untergebenen rüffeln, wenn man von oben her einen Schnauzer erhält. Das fällt in der Diplomatie fort. Außerdem, in der Armee darf man so preußisch-provinziell sein wie möglich, da ist's eher ein Vorzug, doch als Diplomaten braucht man sozusagen Europäer. Und Sie werden mir zugeben, mein junger Freund, daß unsere Junker sich nicht gerade einer internationalen Bildung befleißigen. Offen heraus gesagt, es fehlt an weltmännischem Schliff, an Verständnis für außerpreußische Verhältnisse. Sie wollen etwas sagen?«
»Ich wollte mir die Frage erlauben, ob es damit zusammenhängt, daß man so selten in der Rangliste höherer Staatsmänner altpreußischen Namen begegnet?«
»Aber ja! Abkömmlinge auswärtiger Diplomaten sind erwünscht, die haben mehr höfische Gewandtheit und, savez-vous , weniger angeborene blöde Untertänigkeit gegenüber dem eigenen Hofe. Das macht unsicher. Ferner läßt sich nicht verkennen, daß standesherrliche Abstammung den Diplomaten ziert. Ein hochtönenderTitel wirkt immer. Auch ausländische Namen sind begehrt. Ich erinnere an die Grafen Oriola und Perponcher, an Herrn v. Savigny.« Sein eigener Name hatte ja auch den richtigen Refugié-Anklang. »Sie lächeln, Herr Auskultator?«
»O ich meinte nur – vor Jena hatten wir ja auch den Marchese Luchesini. Der hat uns herrlich weit gebracht.«
»Hm, nun ja!« Der Minister nahm eine Prise. »Aber er schrieb so gut Französisch, das ist unschätzbar, solange alle Gesandtschaftsberichte ad regem französisch sein müssen. Schon wieder bemerkte ich bei Ihnen ein Lächeln?«
»Exzellenz halten zu Gnaden, aber Hotelportiers parlieren mit gleicher Leichtigkeit. Sicherheit im Französischen und hohe Geburt ersetzen doch wohl nicht politische Befähigung. Ich meine unmaßgeblich: wenn ein tüchtiger Staatsmann ein kerniges Deutsch mit der Welt redete, würde man ihn sehr gut verstehen.«
»Ach, das sind so jugendliche Illusionen!« rief Ancillon ärgerlich. »Ja ja, ich merke auch bei Ihnen das Besserwissen, wie ich es bei preußischen Edelleuten im Amte perhorresziere. Eh bien , ich will Ihnen was sagen: machen Sie zuerst Ihr Assessorexamen, dann werden wir Sie vielleicht bei den Geschäften des Zollvereins unterbringen, und so könnten Sie wohl allmählich in unsere deutschen Gesandtschaften eintreten, etwa in Hannover, da Sie ja in Göttingen studierten. Mit Aussicht auf größere europäische Posten in Paris, London, Petersburg, Wien kann ich Ihrer jugendlichen Zuversicht nicht schmeicheln. Derlei wird Ihnen wohl ewig verschlossen bleiben, dazu braucht man Grandseigneurs von hohem Rang, großem Vermögen und internationaler Salontournüre. Gott befohlen, Herr Auskultator, und grüßen Sie von mir Ihre verehrte Frau Mutter!«
Der Minister winkte mit der Hand, die Audienz war zu Ende. Nachdenklich schritt der Jüngling die Treppe hinunter und pfiff ein Reiterlied durch die Stockzähne. Zum Teufel, ja! Blütenträume reifen selten, Bäume wachsen nicht in den Himmel, der nicht voll Geigen hängt. Man muß schlecht und recht auf hergebrachten Gleisen wandern, und wird einem der Schneckengang zuwider, kann man ja immer noch austreten.
*
»Herr Rat verzeihen, aber ich kann mit
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