Bismarck 01
›Minchen‹ zu nennen, weil ihr als Kinder mitsammen spieltet«, lachte der Alte. »Aber mein seliger Schwiegerpapa stand im Geruch von starkem Liberalismus, und da weht doch jetzt ein ganz anderer Wind.«
»Ich bin stolz darauf,« versetzte die stattliche Dame, »daß der große Freiherr v. Stein den Vater als rechtschaffenen erzliberalen Beamten bezeichnete. Ich hoffe, meine Kinder werden dem Andenken ihres Großvaters Ehre machen und in gleichen Bahnen wandeln. Nichts ist so vulgär und ungebildet als Junkerei. Das merke dir, Otto, und vergiß nicht: deine Mutter ist bürgerlich.«
»Na, verjunkern soll der Junge nich!« rief der Herr v. Bismarck und schlug sich auf die Schenkel. »So was wie Standesvorurteile jibt's nich bei uns. Versteht ihr, Kinder, dann hätt' ich ja auch Muttern nicht geheiratet, als die Verwandtschaft über Mesalliance schrie. Natürlich, Order muß pariert werden, Disziplin muß sein, darin bin ich alter Offizier, nur aber kein fauler Dünkel auf Geburtstitel. Wenn ich schon so was höre! Ach wat, geboren sind wir alle. Aber, um praktisch zu reden, der Adel hat nun mal seine Vorteile für den Staatsdienst.«
»Jawohl,« fiel Mama eifrig ein, »und weil Otto so begabt ist, ist mein Ideal, daß er in die Diplomatie eintritt.«
»Dazu gehören Moneten«, machte der Alte bedenklich. »Und daran haben wir Bismarcks keinen Überfluß. Otto muß eben die gewöhnliche Laufbahn durchmachen, bis er zu höheren Stellen aufsteigt.«
Der junge Bismarck schnitt ein saures Gesicht. »Das dauert sehr lange. Von Mamas Vorfahren her und vom Großvater mag ich wohl Sitzfleisch geerbt haben, doch in deiner Linie, Papa, waren wir alle Landwirte und Soldaten.«
»Um Gottes willen, nur nicht Soldat!« Frau v. Bismarck schüttelte unmutig den Kopf. »Das ist die schlechteste Karriere in Friedenszeiten.«
»Das stimmt«, seufzte der Vater. »Und wir werden wohl keine Kriege mehr erleben, auch Otto nicht. Heut im Zeitalter der Aufklärung und Liberalität«, betonte er wichtig, »wird alles vernünftig im Frieden geregelt. Und is wohl auch gut so. Übrigens hast du ja schon ein teures Geld verstudiert und willst doch wohl nicht umsatteln. Da bleibt nichts übrig als Eile mit Weile, langsam und fleißig als Jurist oder Beamter zu höheren Staffeln aufklettern.«
»Hat man nicht Vorbilder an Leuten wie Pommer-Esche und Delbrück?« mischte der Bruder sich ein. »Solche musterhafte Beamten bringen es immer zu hohen Ehren. Mama dachte auch schon an Arbeit für Otto im Ressort des Deutschen Zollvereins.«
»Und Mutter kann Otto doch an Minister Ancillon empfehlen, den sie von Großvater her kennt«, gab die kluge Schwester dem Gespräch eine praktische Richtung.
»Das werde ich tun, obschon – Ancillon hat so merkwürdige Ansichten. Neulich hat er den Fürsten Felix Lichnowski als feinsten Typ eines Diplomaten empfohlen, er, der ehemalige evangelische Theologe, und Lichnowski hat katholische Neigungen und etwas freie Sitten. Freilich ist er politisch aufgeklärt und liberal wie alle Gebildeten, und das ist die Hauptsache. Nur nicht reaktionär! Ich hoffe nie zu erleben, daß meine Kinder den veralteten überwundenen Standpunkten zuneigen. Nur nicht gegen den Zeitgeist sich auflehnen!«
»Na, der pp. Zeitgeist is ooch jrade nich mein Schwarm!« Der Alte zuckte die Achseln. »Aber wahr is: man muß mit den Wölfen heulen. Verstehst de, Otto, bleibe du man königlich-preußisch bis in die Knochen, aber dabei sei vor allem ein humaner liberaler Kerl, der all seine Nebenmenschen achtet und sich nicht faulen Zauber einbildet wie die Junker von anno dunnemals. Die Bescherung haben wir erlebt bei Jena. Fortschritt muß sein, das Volk muß seine Rechte haben, das verlangt die höhere Bildung; alle höheren Beamten und Militärs sind dafür eingenommen.«
»Gewiß«, schloß Frau v. Bismarck feierlich die Unterhaltung. »Der selige Freiherr v. Stein, Fürst Hardenberg, die Feldmarschälle Gneisenau, Boyen und Grolman leuchten noch heut alsheilige Vorbilder. Eine gewisse dunkle Strömung am Hofe, die Seine Majestät den König unheilvoll beeinflußte –«
»O Gott, Mutter!« flehte Bruder Bernhard ängstlich. »Wenn man dich hörte! Du sprichst wie ein Demagoge, und Otto ist ohnehin schon so furchtbar liberal!«
»Maul halten, Junge!« wies ihn der Alte unwirsch zurecht. »Die hochselige Demagogenhetze ist so ziemlich vorüber. Das gute Recht zum Räsonieren darf man keinem deutschen Mann verkürzen, diese Turner
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