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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»überschätzen Sie das nicht. Sie bilden sich wohl ein, Sie seien geschickter gewesen als wir? Der König schenkt Ihnen diese Depesche an Arnim, wie er einer Hofdame ein Bukett schenken würde, aus gnädiger Laune.«
    »Jedenfalls bestehe ich darauf, zu meiner sterbenskranken Frau zu eilen, was Sie unserm Herrn mit meinem untertänigsten Dank vorstellen wollen.« Diesmal kam Gerlach sehr ernst zurück, zuckte die Achseln und führte ihn zum König. Dieser rief aufgebracht: »Ha, seine Häuslichkeit ist ihm lieber als das ganze Reich. Mag er also zum Teufel fahren!«
    Otto ging still davon. Von so ungerechter Selbstsucht war nie etwas Gedeihliches zu erwarten, doch gottlob, die inhaltsreiche Depesche haben wir durchgesetzt! – Prost Mahlzeit! Sie wurde telegraphisch angehalten und wieder in die alte Form abgeändert. Als er das erfuhr, fuhr seine Hand unwillkürlich nach der Halsbinde. Er hatte ein Gefühl, als solle er ersticken. Solohnte man den Unermüdlichen, den einzigen Arbeiter, der seines Lohnes wert war. Bah, das Wasser geht oft bis an den Hals, doch was ein guter Schwimmer ist, duckt darum den Kopf noch nicht unter. –
    Da mit Johannas Gesundheit bald eine Windung zum Besseren eintrat, packte er bald seine »liebe Familie Irrwisch«, die ihm zwischen den Fingern entschlüpft sei, säuberlich zusammen und fuhr zu den heimischen Penaten. Hallo, Bockenheim! Wer in seinen eigenen vier Pfählen sitzt, erkältet sich nicht mehr vor der Zugluft da draußen. Aber wer läuft denn da draußen herum in Nacht und Wind? Das arme Waisenkind, das Aschenbrödel Deutschland. Bin ich sein Vormund? Wer hat mich dazu ernannt? Seltsam, wie der Aufenthalt im Süden mein Borussenherz erweichte! Die Stockpreußen behagen mir gar nicht mehr. Daraus wuchs ich auch heraus, die alten Kleider werden zu eng. Nun, wie Gott will! Seine Pflicht tun, weiterkämpfen!
    *

Otto suchte Prokesch zu bearbeiten. »Der Kaiser sollte sich nicht von Ihrer Polizei düpieren lassen. Man redet ihm ein, der Zar besolde Kossuth und hetze ihn zu neuer Empörung in Ungarn auf. Heller Blödsinn für jeden, der den Zaren kennt! Er und Kossuth!«
    »Unsere Weaner Polizei ihst a liabe, guete Polizei«, wienerte Prokesch ausweichend, wie er immer tat, wenn er gemütlich wurde. »Wer im Glashaus sitzt, sollt' nit mit Steine werfe. Ihr Ohm und Hintze haben's ja auch von Attentat geschwihndehlt, von die Refugiés in London, und Ihrem Herrn Könikk Ahngst gemahcht.« Otto biß sich auf die Lippen. An die infame Geheimpolizei Hinckeldeys, den Verbrecher Hintze und Konsorten, wollte er nicht erinnert werden, deren segensreiches Wirken seine politischen Freunde (? hm!) Gerlach und Kleist-Retzow für ein Fundament konservativer Schreckensherrschaft hielten. »Die heilige christkatholische Kirch ihst auch gegen die russische Kehtzerei, so sich orthodox nennt.« Jawohl, als ob der Ultramontanismus etwa das protestantische Preußen minder hasse.
    »Man spricht von Wiederherstellung Polens unter einem Erzherzog. Glauben Sie, daß Preußen damit gedient ist?«
    »Ach, Märchen! Wir wünschen keine Eroberungen im Osten.« Prokesch sprach wieder hochdeutsch.
    »Auch nicht im Westen?«
    »Wo denken Sie hin! Wir rihchten uns nach den Umständen, und uhnsre Rihchtschnur ihst die Erre.«
    »Oder die Furcht.«
    »Mein Herr!« Prokesch nahm Grundstellung.
    »Wissen Sie, was mir General Gerlach schreibt? Da er ausseinem Herzen keine Mördergrube macht, kann Meyendorff als loyaler Russe dafür eintreten, und ich begehe keine Indiskretion. Meyendorff sagt: ›Mein Schwager Buol ist ein politischer Hundsfott, er fürchtet jeden Krieg. Doch mehr den mit Frankreich.‹ Ja, ja, Italien! Die Furcht ist's, was Ihre Schritte lenkt.«
    »Ich sage Eurer Exzellenz wohl nichts Neues und Unerwartetes, wenn ich hiernach jede Diskussion abbreche.« Prokesch entschwand mit gekränkter Würde, aber der Schuß saß. Den Bogen bei Preußen zu überspannen, wäre nicht rätlich. Denn man möchte ja Preußen als Pfeil im Köcher behalten gegen die Westmächte. Das war's, was Bismarck erreichen wollte. Denn solange Österreich nur lavierte, ging alles noch gut. Ein entschiedenes Auftreten Preußens von diesem König zu erwarten, hieße auf Sand bauen. Also das ihm so passende Nichtstun fördern, mußte die einzige Hoffnung sein. –
    Der Krimkrieg ging weiter und brachte allmählich eine recht erwünschte Schwächung Rußlands und Englands durch schwere Verluste, weniger Frankreichs, das wenigstens

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