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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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seinen Gloiredusel befriedigte. Rußland gab zähneknirschend Österreichs Forderungen nach, das deshalb nichts Ernstliches mehr wagte, und Preußen schwelgte in unparteilich wohlwollender Neutralität für beide Parteien, nach drei Seiten (Rußland, Frankreich, Österreich) herumhinkend. Nach dem gesunden Grundsatz, daß man es mit dem im Vorteil Befindlichen halten müsse, freundete sich Otto plötzlich mit dem französischen Gesandten am Bundestag an und trug »bonapartistische« Neigungen zur Schau. Der entsetzte Gerlach mahnte ihn an das Wort der Schrift: »Man darf nicht Böses tun, daß Gutes daraus werde.« Das sei hier auch unweise. Solche »indirekten Finesserien« paßten nicht für einen, »um nicht mehr zu sagen, eigentlich unberechenbaren Herrn« wie Friedrich Wilhelm. (So weit sank schon der angeborene Respekt eines so Königstreuen!) »Sie vergessen, daß die Persönlichkeiten das Entscheidende sind.« Leider oder gottlob, je nachdem!
    Der neue französische Gesandte, Comte de Montessuy, entfaltete eine Lebendigkeit und Regsamkeit, die ihn bei seinen gravitätischen Kollegen unbeliebt machte. Er überfiel förmlich die Bundestagsleute mit Fragen nach jeder Sitzung, nahm sie ins Kreuzverhör und inquirierte hochnotpeinlich, was denn wieder beschlossen sei. Dabei arbeitete er mit Kleistertopf und Schere wie eine ganze Redaktion, schnitt aus allen Preßorganen die ihm passenden Rosinen heraus, klebte sie zusammen und schickte diesen unverdaulichen Plumpudding nach Paris. Jeder fand für sich was darin. Seine höllische Majestät selber, der Duc de Morny, der Kriegsminister St. Arnaud, der Polizeipräfekt Pietri und all die andern Katilinarier. So sehen nämlich normale Gesandtschaftsberichte aus. Otto amüsierte sich weidlich über den geschäftigen Herrn und nahm ihm nichts übel. Denn seinezudringliche Unverschämtheit wurde durch eine echtfranzösische Angenehmheit gemildert.
    »Ihr Schwanken sollte Sie an Jena erinnern!« trumpfte er heftig auf, nach fruchtloser Auseinandersetzung über Preußens Zurückhaltung.
    »Warum nicht an Roßbach?« Die schlagfertige Antwort gefiel dem Französchen so gut, daß er lächelnd seine blankgeputzten Zähne zeigte. Un bon garçon Dagegen seine Gattin –
    »Ich sage Ihnen, liebste Frau v. Bismarck,« versicherte Frau v. Eisendecher, »zu Montessuys wird kein Mensch mehr gehen.«
    »Mein Mann steht sich gut mit ihnen«, lehnte Johanna ab. »Er klagt nur über das schlechte Essen und Trinken. Aber das tut ihm gut,« lachte sie, »denn er fürchtet schon eine Karlsbader Kur wegen der endlosen guten Diners.«
    »Das ist aber unser Stolz. Ja, bei Montessuys ist nichts solid ... außer ihren Diamanten und den Prätensionen von Madame. Für uns Bundesdamen ist sie nicht höflich genug, und das will eine Pariserin sein! Von gesellschaftlichen Unterschieden versteht sie nichts, sie ladet Krethi und Plethi ein, und ihre Einladungen bringen immer Zank. Sie setzt die Gäste an der Tafel pêle-mêle , ohne Ahnung von Rang und Etikette.«
    Die Pariserin machte sich ihrerseits lustig über die Krähwinkelweiber. So rollte Deutschlands Geschick in männlichen und weiblichen bekrallten Samtpfötchen hin und her.
    Der neue englische Gesandte, Sir Alexander Malet, war ein redlicher Gentleman nach Ottos Herzen, beide schlossen eine Freundschaft. Ein leidenschaftlicher Jäger und Angler, wie alle Gentlemen seiner Klasse, empfand er eine herzliche Gleichgültigkeit gegen alle deutschen Sachen, hatte aber als ruhiger gemäßigter Mann von rechtlicher Art bald genug gesehen, um weit mehr zu Preußen als zu dem turbulenten und intriganten Österreich hinzuneigen. Ottos weidmännische Fähigkeiten erfüllten ihn mit hoher Achtung, ebenso die Sittenreinheit seines Lebenswandels, und er ließ sich gern von Frau Johanna » home, sweet home « vorspielen. Als ein englischer Hauptmann Yates sich über die Unziemlichkeit der Berliner Polizei bei Malet beschwerte, schrieb der preußische Gesandte einen recht scharfen Brief an Mauteuffel, die Berliner Schutzleute seien die gröbsten und schikanösesten in Europa. Durch solche Ungebühr der preußischen Subalternbeamten wird mehr Ärger und Groll geweckt, als durch wirkliche Tyrannei im großen. Er wollte dabei auch dem Polizeipräsidenten Hinckeldey eins auf die Kappe geben, dessen Schnüffelei und Willkür das preußische Staatswesen lächerlich machte. Dies war die schöne Zeit, wo man Berlin nicht ohne Paß betreten konnte und wo ein

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