Bismarck 01
geübter Kunstschütze forderte und niederknallte. Dem planmäßigen Mord setzte der Vorsitzende des Herrenhauses, Graf zu Stolberg, die Krone auf, indem er beklagte, der Edle v. Rochow sei deshalb verhaftet, während er doch als Edelster der Nation nur seine Ehre rächte. Das Berliner Bürgertum geleitete den schlechten Kerl großartig zu Grabe, weil er zum erstenmal in seinem Leben auf seiten des Rechtes stand und bei dieser ungewohnten Beschäftigung den Märtyrertod erlitt. »Des Königs Gnade hat unsern Rochow schon jetzt aus der Festungshaft begnadigt, alle Gutgesinnten jubilieren, die Kreuzzeitung bringt einen herrlichen Aufsatz eines ungenannten Theologen über das Gottesgericht.«
»Hm, das Duell ist natürlich wider Christi Gebot.« Es würgte ihn etwas Heiseres in der Kehle. Völlig vorurteilslos im großen, hatte er aber seine sonderbare Bekehrung zum Feudaljunker zu fest in sich eingelötet, als daß er dies allzu enganschließende Panzerhemd hätte im täglichen Leben abwerfen können. Er blieb in die Maschen verstrickt und scheuerte sich die Haut darin wund, ohne daß er es merkte. Daß ein so reinlicher Mann sich im Unrat solchen Milieus je wohlfühlte, das mochte er anderen weismachen, nur nicht denen, die ihn erkannten.Indessen – er schwieg, mehr oder minder schwieg er dazu sein Leben lang. »Hinckeldey war – doch de mortuis nil nisi bene ! Erzähle mir lieber von deiner Stellung hier!«
Da klagte Oberpräsident Hänschen Stein und Bein über die Prinzeß Auguste, die im übrigen Schloß über ihm residierte, indes er das Erdgeschoß als Amtsresidenz wählte. Sie hegte gegen seine unansehnliche linkische Erscheinung ein weibliches Mißfallen, das sie aber mit weiblicher Güte gern gezähmt hätte, wäre nicht seine konservative Beschränktheit ihr ein Greuel gewesen.
»Dieser ungebildete Mensch!« klagte sie ihrem Gemahl. »Der las sicher noch keine Zeile von Goethe. Solche Leute beschert uns die Kreuzzeitungspartei. Ist nicht sein Intimus der Herr v. Bismarck?«
»Das laß man gut sein«, wehrte der Prinz entschieden ab. »Das ist ein sehr geistreicher Mann, mag er vielleicht auch nicht viel Goethe gelesen haben, ich weiß es nicht. Übrigens ist Kleist-Retzow sein angeheirateter Onkel.«
»O weh! Er soll ja eine richtige Landpomeranze geheiratet haben, eine Frau von gar keiner Bildung und ohne Manieren, wie es sich für seine jetzige Stellung gar nicht schickt.« In ihrem Gemüte dachte sie: Den hat auch Gott in seinem Zorn zum Diplomaten gemacht. Gewiß hat er tadellose Haltung und imponierende Erscheinung, doch so denkt man sich doch einen Diplomaten nicht, so – so ungeschmeidig.
»Sie soll eine sehr gute Frau und Hausfrau sein,« brach der Prinz trocken ab, »und ich bin Pate des letzten Kindes. Ein Mann von hohem Verdienst um Thron und Vaterland, von dem ich mir große Dinge verspreche.«
Die ästhetische Prinzessin, vor der Otto noch nie ein Goethesches Zitat brauchte, rümpfte die schöne Nase. Ihr Minister wurde er jedenfalls nicht. Da war ihr auserwählter Politiker, der braunschweigische Ministersohn v. Schleinitz, ein anderer Mann. Den hatte der abscheuliche Manteuffel, der in dienstlichen Dingen keinen Spaß verstand, arbeitstreu und fleißig trotz aller sonstigen Fehler, wegen allzu großem Hang zur Bequemlichkeit seines Gesandtenpostens in Hannover enthoben. So schlossen also alle Stellen- und Ämterlosen einen Ring um das Thronfolgerpaar, indem sie in ellenlangen Denkschriften die Tiefen ihrer Weisheit und ihres leeren Portemonnaies erschlossen.
»Meine Hausandacht mit dem Gesinde, die wir als gottesfürchtige Eheleute jeden Abend abhalten nach Gottes Gebot, ist ihr lästig, sagt sie«, zürnte der graue Hans. »Doch ich weiß wohl, was es ist. Die Frau Prinzessin treibt Abgötterei mit papistischem Irrwahn. Immer pilgert sie zu katholischen Kirchen, ehrbare christgläubige Pastoren mag sie nicht, aber Bischöfen küßt sie den Hirtenring.«
»Ach, das sind ästhetische Spielereien! Das Malerische am Katholizismus!«
»Ja, so'n Maler in Düsseldorf, ein gewisser Scheuren, genießt höchstihre Protektion, weil er Aquarelle von Kirchen und Madonnen malt.«
»Er malt Landschaften«, korrigierte Otto trocken, der immer alles wußte und mit seinen hundert Augen alles sah. In Paris hatte er nur die Gemälde genau betrachtet, die Maschinen der Gewerbeausstellung interessierten ihn nicht, denn seine ganz auf das Geniale gestellte Natur betrachtete alles Technische als
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