Bismarck 01
würden Sie wirklich solche Politik betreiben?«
»Mit Leib und Seele. Meine bescheidene Stimme hat natürlich wenig Gewicht –«
»Ach, sehr lieber Freund, sie ist weder bescheiden noch ohne Gewicht, sondern kühn und voll Nachdruck. Der Kaiser hält große Stücke auf Sie, wie ich Ihnen verraten will. Love at first sight , gegenseitige Anziehung. Er wird mir Dank wissen, wenn ich ihn unterrichte. Bei Ihrer Majestät der Kaiserin haben Sie auch einen Stein im Brett.« Er lächelte. »Im übrigen brauche ich Ihre Erfahrung wohl kaum zu warnen, daß wir unser etwaiges politisches Einvernehmen hier nicht prononcieren dürfen. Ein Glück, daß wir persönlich uns so gut stehen und Sie als Russophile gelten, sonst würde man bald dahinter kommen.«
Die Anspielung auf die Kaiserin verstand er sehr wohl. Auf einem Hatzfeldschen Diner lud man für ihn den alten Diplomaten Rothan ein, der sich zwar zur Ruhe setzte, doch in Beziehung zum Hofe stand. Demgegenüber warf er sich ganz der aufgehenden Sonne zu Füßen. »Ein großer Herrscher, der noch Größeres vollbringen und die Welt in Erstaunen setzen wird! Und mit einer solchen Armee! Ich sah heut früh die Kaiserin-Dragoner der Garde ausrücken neben den Gardezuaven. Welche Kraft in jeder Bewegung! Die Lanciers in ihrer weißen Galakurtka und die herrlichen Kürassiere salutierten mit den Degen vor Ihrer Majestät der Kaiserin. O, welch seltene Frau, nicht nur äußerlich! Die schönste Frau in dem an Schönheiten so reichen Paris!« Er trug diese Schmeicheleien so ungezwungen, doch so laut vor, daß sie unfehlbar aufgefangen und an die richtige Adresse spediert werden würden.
Nicht ohne Scham gedachte er daran, wie er in der Versailler Spiegelgalerie stand, die hier toutes les gloires de la France und den Rokoko-Olymp des Roi-Soleil zurückstrahlte. Als er seine Riesengestalt fremdartig in solcher Umgebung gespiegelt sah, mochte ihm wohl einfallen, daß so vielleicht ein alter Germane im Bärenfell in der goldenen Burg römischer Cäsaren sich angaffen ließ, wenngleich oft auch in römischer Tracht wie Ritter Arminius, der nachher Hermann der Befreier hieß. Von der Schlacht im Teutoburger Wald bis zur Schlacht von Leipzig ist's ein weiter Weg, und doch sinken zuletzt immer die pomphaften Adlerfahnen vor den Hammergottsöhnen des Donar. Wenn Arminius antichambrierte, warum sollte er's nicht auch? Neben ihm aber, auf den Ruf des Cäsars untertänig wartend, stand eine Jammergestalt, o böse Ironie, kein anderer als Dalwigk, der richtige Rheinbundssendling. Arminius, nimm dich in acht, daß nicht auch dir fremde Cäsarenhuld zu Kopfe steigt! Mir? Und er schlug eine bittere Lache auf.
Ich weiß, Aristan, diese Denkart kenn' ich ...
Fragst, wo und wann Germanien gewesen ...
Doch jetzo wirst du mich verstehn, das weiß ich:
Führt ihn hinweg und schlagt das Haupt ihm nieder!
So schlug die Hermannsschlacht Heinrich v. Kleist. –
Er mußte endlich auch Muße finden, sich mal nach Kleist-Retzows Herrlichkeit in Koblenz umzusehen. Dieser Gottesmann fiel in die sonnige Rheinprovinz wie ein Schatten aus dunkelstem Hinterpommern. Ein treuer Knecht war Fridolin, und in der Furcht des Herrn tyrannisierte er drauflos wie ein türkischer Pascha, ins Deutsch-Züchtige übersetzt, oder ein russischer Gouverneur, nur, daß er keine Trinkgelder nahm. Mit Schweiß und Mühe brachte er es dahin, der bestgehaßte Mann am Rhein zu sein und sich das besondere Mißfallen des Prinzen von Preußen zu erwerben. Darob pries ihn das Berliner Parteiregiment, dessen Tage nun freilich auch schon gezählt waren und das in seiner Sünden Maienblüte zu Herbste ging.
»Wir hatten wieder historische Märztage, es ist eine große Zeit«, begrüßte er Otto, indem er die soeben eingetroffene neueste Nummer der Kreuzzeitung zärtlich flachstrich. Sein in der Fremde irrender Freund sah ihn verdutzt an, er wollte seinen Ohren nicht trauen: »Wovon redest du?«
»Wovon soll ich reden als von Hinckeldey-Rochow?« Auf Ottos Stirn trat die strenge Falte hervor, er schwieg. Wo lag hier die immanente Gerechtigkeit? Daß ein Schuft den Verräterlohn von eigenen Spießgesellen erhielt, und daß er durch zufällig unverdientes gewaltsames Ende sich ein Grabgeleit anständiger Leute gewann? Der Polizeipräsident, dies gefügige Werkzeug schamloser Reaktion, beging die Unklugheit, pflichtgemäß eine Spielhölle adeliger Lebemänner aufzuheben. Worauf ihn ein gewisser v. Rochow, ein völlig wertloser Patron, als
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