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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Instinkt, als ob hinter ihm in wesenlosem Scheine das, was alles bändigt, der erotische Zauber, liege.
    Ein dortiger Bekannter lud ihn zum Inselfürsten Putbus ein, der ihm seine neue Zuckerfabrik zeigen werde. Der Abstecher lohnte sich. Fürst Putbus erkundigte sich, ob der alte Herr v. Bismarck noch immer in Kartoffelbrennerei stark sei. »Der Adel muß sich eben auch auf die Industrie werfen, das einzige Mittel, um den Grundbesitz im Gange zu erhalten. Die Zeiten sind schlecht.« Diese landesübliche Phrase hörte Otto nun schon seit Kindesbeinen, und man wird sie hören bis zum Jüngsten Gericht, wenn der letzte behäbige Agrarier seinen notleidenden Stoßseufzer ausstößt. »In England klagt man auch, weil die Demagogen die Abschaffung der Kornzölle durchsetzen, wodurch Nobility und Gentry auf keinen grünen Zweig kommen.«
    »Die Brotteuerung ruinierte aber das Volk«, wandte Otto ein.
    »Ach Unsinn! Man merkt es gar nicht. Was kommt auch darauf an, ob der Arbeiter etwas besser oder schlechter lebt! Der Adel allein ist das Rückgrat des Staates. Das weiß man in England gründlicher als bei uns. Es geht einem das Herz auf, wenn man diese herrliche Gesellschaft sieht, wo alles auf Herrschaft und Vorrechte der Aristokratie zugeschnitten. Ich war ja neulich drüben.«
    »Als außerordentlicher Gesandter, ich weiß,« verbeugte sich der Gast, »beim Regierungsantritt der Königin Viktoria.«
    »Ja, es ist zum Totlachen, wenn unsere Demokratriche vom freien Albion schwatzen. Ich sage Ihnen, lieber Bismarck, das ist eine scharfe Zucht wie nirgends. Das Volk, die schweinische Menge, wie vornehme Engländer es nennen, wird ganz niedergehalten. Auch die Justiz ist ganz im Fahrwasser der oberen Klasse. Etwas zu hart sogar, muß ich sagen. Und das Königtum hat einen Nimbus, oh! Die Königin gilt sozusagen als heilige Person, wie ein japanischer Mikado.«
    »Und das Parlament hat nichts zu sagen?«
    »Wenig, eine Farce, um das dumme Volk zu täuschen. Bei uns ohne solche Schwatzmaschine haben's die unteren Stände viel besser. Sollten Gott auf den Knien danken, daß bei uns Regierung und Beamte so human denken, viel zu liberal.« –
    Otto machte hier auch Bekanntschaft mit einem fetten, hellblonden Badegast nebst sehr hübscher Gemahlin, die mit dem stattlichen Jüngling etwas zu kokettieren anfing.
    »Von Stockhausen aus Hannover. Sind soeben nach Berlin übergesiedelt.« »Gefällt's Ihnen da?« »O gewiß, in Hannover ist's zu steif, zu englisch. Herr v. Bismarck studierten in Göttingen, nicht? Ein Vetter hat mir von Ihrem Renommee erzählt, als einen Teufelskerl, pardon!«
    Otto ging nicht darauf ein und lenkte rasch ab: »In Hannover sind wohl jetzt ziemlich unsichere Zustände, politisch unhaltbar?«
    »Wieso denn? Interessiert Sie das? Unser Allergnädigster brüllt als Welfenlöwe und die Göttinger Professoren kriechen zu Kreuze oder werden aus Lehrstühlen und Kanzeln verjagt. Voilà tous. Die Universitäten sind doch überall Brutstätten des Jakobinismus. Deutsche Einheit, ich bitt' Sie! Wo bleiben denn da die angestammten Souveräne?«
    Auf Rückfahrt zum Festland bekam Otto die Seekrankheit, was ihm aber nur als gesunde Purgierung diente und ihn nachher zu mächtigem Gabelfrühstück anregte. Bei dieser unverwüstlichen Vitalität konnte auch der Alkoholgenuß, dem er frönte, die Lebensgeister nicht schwächen, animal spirits nennen es die Engländer.
    Dies war Ende September. Als er nach Kniephof fuhr, stand der frische Klee »wie eine Bürste«, auf den Feldern haushohe Mieten, das Vieh graste noch. »Wir werden in Winterfrüchten ein gutes Korn ernten«, berichtete der Inspektor. Otto überlegte, wie es mit Ziegelei, Brennerei, Brauerei werden solle. Er lächelte über die alte Fabel von der deutschen Armut, durch Magdeburger Börde und Pyritzer Weizenkammer genügend wiederlegt. In Frankreich gibt es die Beauce (Touraine) und die Pikardie, daneben die lausige Champagne und arge Striche im Süden, wo gar nichts wächst. In Großbritannien hat nur Südengland guten Boden.
    Er warf sich ungestüm in die neue Arbeit und schien es darauf anzulegen, sich einen guten Namen unter den Gutsbesitzern zu machen. In Wahrheit fragte er gar nichts nach der guten Meinung seiner Nachbarn, die er zwischendurch auch durch andere Dinge in Erstaunen setzte. Seine Jagden und Trinkgelage hatten einen Stil der Unbändigkeit. Um die Außenwelt bekümmerte er sich wenig. Nur mit seiner Schwester, die er zärtlich liebte,

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