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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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blieb er in stetem Briefwechsel und vertraute ihr seine Sorgen an. »Nachtfröste, kranke Kühe, schlechte Landwege, tote Lämmer, halbverhungerte Schafe, Mangel an Stroh und Futter, an Geld und Kartoffeln.« Seinen ganzen Horizont begrenzte die Ausdehnung seiner Länderei. Bitter empfand er den Tod seiner Mutter. Die Kunde traf ihn plötzlich. Er reiste zum Begräbnis und bat ihr im Herzen alles ab. Mutterliebe ist eine Riesin, gemessen an Kindesliebe, die im Grunde nur auf dem Herkommen,nicht auf der innersten Natur beruht. Die Kinder leben für sich dahin und betrachten ihre Eltern im Grunde nur als milchende Kuh und Portemonnaie, als Versorger und nebenbei als unerwünschte Überwacher. Mutter ist Mutter, sie hat an mich geglaubt, ein törichter Glaube, doch immerhin! Ach, die gute Mama hat mir immer alles Mögliche prophezeit, so sind die lieben Frauen, immer transfigurieren sie ihre Männer und Söhne. Ich bin vielleicht kein ganz gewöhnlicher Mensch, aber das mag auch nur jugendliche Einbildung sein. So wie ich gibt's viele. Zu guter Letzt kommt es darauf an, ob das Glück oder die Vorsehung – wer weiß was! – uns begünstigt oder, richtiger, zu ihren Zwecken verbraucht. Das ist bei mir so gut wie ausgeschlossen, und ich trage auch gar kein Verlangen nach öffentlicher Heldenrolle. Meine Schäferhunde heulen viel besser als die pp. Politiker. Jetzt, 1839, bin ich erst 24 Jahre alt, aber ich sehe nicht ein, was ich anders treiben sollte, als meine Schafe zu zählen. Ich habe einen Appetit wie ein Auerochse und schlafe wie ein Dachs, das ist die Hauptsache.
    Aber in seiner kleinen Kreiszeitung fand er plötzlich die Kunde, daß »am 7. Juni 1840 Seine Majestät König Friedrich Wilhelm III. das Zeitliche segnete« und Friedrich Wilhelm IV. den Thron bestieg. »Aha, jetzt gibt's die Verfassung!« Nicht doch, nur eine Amnestie. Zur »Huldigung« im Oktober beorderte Rittmeister v. Bismarck-Schönhausen seine beiden Söhne, und alle drei hatten den zweifelhaften Genuß, die neue Majestät auf einer Plattform vor dem Schlosse unter einem Baldachin erhabene Sprüche tönen zu hören. Nicht gerade aus der Weisheit güldener Wolke. Ja, er wolle regieren in Gottesfurcht und Menschenliebe. Er frage sein Volk, ob es mit Herz und Seele, Wort und Tat, in heiliger deutscher Treue und der noch heiligeren christlichen Liebe ihm beistehen wolle, Preußen zu erhalten, »wie es war und wie es allezeit bleiben muß, wenn es nicht untergehen wolle«. Die Menge, mehr schauend als hörend, antwortete mit begeistertem Ja, ein ebenso gedankenloser als sentimentaler Vertrag, dem bald ein peinliches Erwachen folgte. Preußen wie es war, d. h. ohne Verfassung? Der alte Herr v. Bismarck fragte seine Söhne, ob sie Seine Majestät verstanden hätten. Doch Otto erwiderte kein Wort.
    *

Holliho! O'er the hills and far away! ! Der Junker v. Bismarck jagte über die Heide, recht wie ein englischer Squire. Dabei kamen ihm seltsame Gedanken. Da er viel und unordentlich durcheinander las, um seinen innerlich unruhigen und hungrigen Geist zu nähren, fiel ihm ein Aufsatz in einem englischen Magazin in die Hände über Cromwell von Thomas Carlyle. Die derbgenialische Schreibart behagte ihm und der düstere Fanatismus für »Realitäten«. Dieser alte Oliver war also ein Farmer wieich und hatte nichts anderes im Sinn als Wolle seiner Schafzucht und Bierbrauen. Er ging aus wie Saul, eine Eselin zu suchen, und fand ein Königreich. Da war er schon ein älterer Herr, er war 45 Jahre alt, als er sich in den Sattel schwang, und 50, als er zur Herrschaft kam. Hm, Cäsar hatte das gleiche Alter, als er sich der Welt offenbarte. Er sich? oder vielmehr das Schicksal, wie die Heiden es nannten? Denn ohne sicheren Willen der unerforschlichen Mächte gedeiht nichts. Die wählen ihr Rüstzeug. Dieser Cromwell, der Königsmörder, war also eigentlich meines Standes, ein Landjunker. Also nach Geblüt und Erziehung ein Konservativer. Und doch so revolutionär bis zum Extrem. Einem König von Gottes Gnaden den Kopf abschlagen, dagegen empört sich das Gefühl. Hm, Karl Stuart war freilich ein fragwürdiger Heiliger, als Politiker ein ziemlich räudiges Schaf. Und wenn auch, ein König ist ein König, und kein Untertan hat das Recht, ihn auf Leib und Leben zu verurteilen. Außerdem benahm er sich königlich genug, tapfer. War nun dieser Cromwell nur ein Ehrgeiziger, ein »blutgieriger Heuchler«, wie die offizielle Geschichtschreibung dekretiert? Darüber habe

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