Bismarck 01
formte, in schnoddriger Ironie schwelgte. Bei seinem Regierungsantritt zogen die Ultras die Stirn in Falten: »Feldmarschall Boyen Kriegsminister, der Genosse von Scharnhorst und Gneisenau!« Der dann auch in derTat das Landwehrsystem besonders hochhielt. »Ernst Moritz Arndt in die Bonner Professur wiedereingesetzt, Jahn aus seiner Polizeiaufsicht entlassen! Begünstigung der demagogischen Einheitsschreier!« Aber gleich darauf wußten die Liberalen genug, daß der König nicht zu den Ihren zählte. Die Adresse der ostpreußischen Stände, an deren Spitze der berühmte Oberpräsident v. Schön prangte und an die Einlösung früherer königlicher Versprechen mahnte, lehnte er ab. Friedrich Wilhelm berauschte sich an Improvisationen seines leicht erregbaren Gemütes, worin er sein wahres Denken ausströmte: Suprema lex regis volumas. « So erschienen schon 1841 Flugschriften, die scharf genug das Recht des Volkes betonten.
»Otto, hast du schon das Empörende gelesen?«, stürmte eines Tages sein Jugendfreund Moritz v. Blanckenburg beim Kniephofer herein. »Die wahren Säulen des Staates wanken. Ein so hochverdienter Wann wie Oberpräsident v. Schön spielt den Jakobiner.«
»Vielleicht den Staatsmann«, versetzte sein Freund gelassen. »Die patriarchalische Zeit, wo man die Völker wie Unmündige am Gängelband führe, sei vorbei ... da hat er wohl recht.«
»So? Und der hartgesottene Bösewicht in Königsberg ... Johann Jacoby heißt der Kerl, Jude natürlich ... mit seinen »Vier Fragen« hat wohl auch deine Billigung?«
»Bitte, nicht gereizt, Moritz! Ich bin kein Parteimann und stehe den politischen Vorgängen fern. Aber räumte nicht Seine Majestät selber ein, man müsse an die ›historisch gegebene Grundlage‹ der Provinzialstände anknüpfen? Das wird ja auch wohl geschehen.«
»Gott sei's geklagt! Die alte heilige Ordnung von Fürst und Edelmann über Bürger und Volk wird gestört. Jeder König ist absolut von Gottes Gnaden. Der alte Gott lebt noch und wird nicht zulassen, daß sein Preußen in den Sumpf frevler Neuerungen gerät.«
»Weißt du, Moritz, daß dies eigentlich blasphemisch klingt? Der Herrgott von Dennewitz ist doch kein Jehova bloß für die Preußen, und anderswo auf Erden hat er die Verfassung gesegnet. Wenigstens behaupten so die Pfarrer in England. Und in Frankreich lebt das Bürgerkönigtum verfassungsmäßig, die Franzmänner werden fett und reich dabei.«
»Sprich nicht vom Land des Unglaubens und der Revolution! Und die Insulaner in England – nächstens zitierst du noch die sogenannte freie Schweiz – das sind wüste, barbarische Völker wie die in Amerika, die sich gegen die gottgewollte Obrigkeit auflehnten.«
»Nach deiner Meinung mußten also die Yankees sich von Georg dem Verrückten tyrannisieren lassen?«
»Sprich nicht so unehrerbietig von einem gesalbten Haupt! Er war ihr Herr und Fürst, dessen väterlichem Willen sie sichbeugen sollten. Und daß der allmächtige Gott mit besonderer Gnade auf Preußen blickt, hat er sichtbarlich geoffenbart. So nur alles beim alten bleibt, werden wir Gottes Güte genießen.«
Otto schwieg. Er gab es auf, mit solcher pommerschen Dickköpfigkeit zu streiten. Was ging's ihn auch an, hier draußen in der Wildnis!
*
»Meine Herren, es läßt sich nicht leugnen, daß man in den Armenhäusern zu viel Talg verbraucht.« Über diesen hochwichtigen Gegenstand hielt der Gutsherr vom Kniephof seine erste öffentliche Rede in der Kreisdeputation. Er sprach schlecht, beendete seine Sätze nicht und erntete wenig Beifall. Doch genoß er anfangs bei seinen Standesgenossen ein gewisses Ansehen als eifriger Wirtschafter. Er verkaufte Wolle, leitete Holzfällung, handelte auf Kirchweihmärkten und trieb Pachtrenten ein. In Abwesenheit des Bruders Bernhard, der die Landratwürde bekleidete, fungierte er zeitweilig als Stellvertreter. Seiner Schwester, die einen Herrn v. Arnim-Kröchlenberg heiratete, schüttete er sein Herz aus, wie langweilig und anstrengend das sei. Mal nahm er am Wollmarkt teil, mal hielt er Gerichtstag bei schrecklicher Sommerhitze und fuhr durch die sandigen Fichtenstriche so unermüdlich hin und her, daß er und seine Pferde mehr als genug davon hatten. Und dann mußte er wieder als Reserveoffizier dienen, zu den Stargarder Landwehrulanen eingezogen. Das verband er mit einem Aufenthalt in Schönhausen, wo sein Alter noch immer kräftig aß und trank und sogar Fuchsjagden einführte. »Ich bin zu sehr mit Geschäften
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