Bismarck 01
Verlangen. »Rede mir nichts vor! Ich traue dir diabolischen Ehrgeiz zu, einen richtigen Machthunger, wenn du nur allein und ungestört deinen Willen durchsetzen könntest. Nun, ich sehe, mit dir ist nichts anzufangen, vorläufig. Keine schmeichelhafte Vorhaltung, daß du besonders für Staatsmannschaft ausgerüstet seist, wird dich bekehren, sondern nur die Probe, daß Leute von Geist nicht zum Landwirt taugen.«
»Erlaube mal,« mischte der Alte sich pikiert ein, »Klugheit ist gut für jedes honette Geschäft, und eine große Landwirtschaft leiten ist keine Sinekure, wie so mancher Beamtenposten. Jeder Esel kann Geheimrat werden, aber ein Esel, der Disteln frißt, schnuppert umsonst am Getreideboden. Dazu gehört mehr Grips, als in muffigen Akten herumzuschnüffeln.«
»Sehr richtig, Vater«, bekräftigte Otto. »Besonders Kniephof fordert einen gescheiten Gutsherrn voll Arbeitskraft, wenn einso großer Komplex den richtigen Ertrag geben soll. Bernhard eignet sich ja trefflich zum Landrat, schickt sich in alle Launen seines Vorgesetzten, vertritt entschieden die Grundsätze der Regierung, die mir mißfallen, aber für Bewirtschaftung seiner Güter nimmt ihm das schon zu viel Zeit weg. Sollte ich nun auch noch durch Amtstätigkeit nicht abkömmlich sein, so werden unsere großen Güter vor den Hund gehen und unser Vermögen sehr ernstlich beeinträchtigt werden. Das Vermögen aber ist unerläßlich für jede Lebensführung, und ich stehe mich auch materiell viel besser, wenn ich ein wohlhabender Gutsbesitzer bin statt eines hungrigen Regierungsrats mit 1000 Taler Gehalt, der auf großem Fuße mit Weib und Kind in der Stadt leben muß. Der bezahlt bar Wohnung, Kost, Heizung, Licht und diensttuende Geister, was wir alles auf dem Lande umsonst haben.«
»Gesprochen wie ein Salomo!« Der alte Rittmeister klopfte sich auf die Schenkel und sah seine Frau stillschweigend und schadenfroh an. »Ist das ein toller Schwärmer, he? Das ist der gesunde Menschenverstand eines märkischen Edelmanns. Mach' nur so fort, Otto! Um dich ist mir keine Bange! Wir ordnen die Sache so, daß ich mich nach Schönhausen aufs Altenteil setze, du Kniephof bekommst und an Bernhard Külz und Jelichau abtrittst. Den Kontrakt darüber können wir später bei Bohlens auf Karlsburg aufsetzen, zu denen ich im Herbst reisen muß. Verwahre dich nur gegen Bernhards Irrtum, man könne zugleich Landökonom und Stadtbeamter sein, wobei man sich nur zwischen zwei Stühle setzt! Also man druf! Hast du dein Militärjahr abgedient, geht der Rummel los, und du wirst schon zeigen, was eine Harke is. Du bist der richtige Landmann, kein Stadtkind.«
»Und wenn Bernhard erst Landrat ist, dann will ich ihm als Kreisdeputierter über den Hals kommen, damit er die Vertretung bequem und billig hat, wenn er mal Urlaub nimmt. Das wird dich doch trösten, Mutter«, suchte er die Haustyrannin zu beschwichtigen.
»Macht, was ihr wollt!« hauchte diese mit leidender Miene. »Ihr Männer hört ja doch nicht auf Frauenrat. Ich aber werde sterben in dem Glauben, daß Otto doch noch dem Staate dient.« – –
*
Der einjährige Gardejäger Bismarck, Ende März 1838 eingetreten, schritt als Schildwache im Mondschein die Terrasse von Sanssouci ab. Zwei Walnußbäume warfen einen breiten Schatten über den Kies, auf das vergoldete Kupferdach der Orangerie trommelte ein schwacher Regen. Der Geist Friedrichs des Großen und seiner Tafelrunde scheint hier im Garten umzugehen, poetische Einbildungskraft kann sich leicht in jenes Licht zurückversetzen, das die blauen Diamantenaugen des großen Königs ausstrahlten. Doch dieser königlich preußische Gardejäger hatte nicht soviel Poesie,sondern ganz andere Dinge im Leibe, und als er mit geschultertem Gewehr die Runde machte, bewegten ihn nicht romantische, sondern nüchtern historische Gedanken. Daß des Korsen Weltreich sofort zusammenbrach und Friedrichs Schöpfung für immerdar bestehen bleibe, hält man uns auf Gymnasium, Universität, in Büchern, Zeitungen vor. Doch heißt das richtig messen, haben wir Grund zu prahlender Überhebung? Der Vergleich hinkt zu sehr. Napoleon wollte an der Spitze eines Staates, der schon seit 100 Jahren die erste Geige spielte, ganz Europa unter sein Joch zwingen. Das hieß den Bogen überspannen, und doch wäre sein Unternehmen nicht eigentlich gescheitert, wenn seine Ungeduld nicht den Angriff gegen Rußland verfrüht hätte und besonderes Unglück ihn dabei heimsuchte. Denn Rußland
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