Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Man soll sich merken, man schuldet sein Leben nur seinem Vaterlande. Da darf man's weggießen wie Wasser. Aber sonst ist Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit. Verstanden?«
    »Zu Befehl, Herr Leutnant.« Der Mann hielt aber nicht Wort, wanderte nach Amerika aus, nachdem er seiner Dienstpflicht genügte. Als er's tat, war kaum zu hoffen, daß Preußen seiner Söhne bedürfen werde auf glorreichen Schlachtfeldern.
    »Die Rettungsmedaille?« Der Junker Bismarck reckte sich stolz, als er die Auszeichnung empfing. »Zum Donnerwetter, die soll man mir dann doch auf meinem Sarge nachtragen, wo wohl jeder andere Orden durch Abwesenheit glänzt. Ich habe einen deutschen Landsmann dem Staate erhalten, darauf bilde ich mir was ein. Nicht auf die Tat, bei Gott nicht, das ist verfluchte Pflicht und Schuldigkeit. Aber es ist so gewissermaßen ein religiöses Gefühl, sein Menschentum erfüllt zu haben. Denn wie der alte Blücher sagt: den Hundsfott hat jeder im Leib, doch nur ein Hundsfott läßt ihn herauskommen.«
    *

Die Standesgenossen und Nachbarn des Kniephofer Junkers schnitten allmählich bedenkliche Gesichter. Man bot ihm zwar anfangs einen Landratposten an, da er interimistisch während der Vakanz seines Bruders dies Amt zur Zufriedenheit ausfüllte. Aber Herr Otto lehnte ab, da er amtliche Pflichten nicht auf sich nehmen wolle, und bald genug ließ man jeden Vorschlag solcher Art fallen, weil sein Lebenswandel alle Gevatter und Basen in Aufregung brachte. Nicht der sonst üblichen erotischen Ausschweifung kraftvoller Jugend frönte er, seine höfliche Gleichgültigkeit für das weibliche Geschlecht änderte sich nicht, und wenn er mal ein Bauernmädel jovial um die Hüfte faßte, so geschah es mehr, um nicht gegen landesüblichen standesgemäßen Brauch zu verstoßen, als aus Wohlgefallen. Aber der altgermanische Saufteufel schien ihn ganz in den Krallen zu haben. Selbst sein wenig leidenschaftliches Tanzen lief nie auf Plänkeleien mit den Grazien und Handgemenge mit der Venus hinaus, sondern auf nachfolgende Trinkgelage vermittels Erzeugung von unbändigem Durst. Sein Weinkeller war sein Allerheiligstes, im Tempel des Bacchus brachte er täglich Trankopfer von seltenem Umfang. Seinem wilden Wesen entsprach auch sein wildes Reiten, das zum Gespräch des Landkreises wurde.
    »Heut tollt er wieder wie ein Verrückter!« brummte ein Nachbar, als er in der Ferne den Junker Otto wie einen vom Dämon Besessenen vorüberjagen sah. Die Damen konnten ihren Unmutnicht verbergen, daß ein so stattlicher junger Herr so gar nicht auf Freiersfüßen ging und nicht mal das Courmachen bei Ehefrauen betrieb, verbunden mit roher Geringschätzung aller ästhetischen Bildung. Kamen die lautersten Reize der Dichtkunst aufs Tapet, wie die süße Undine des seligen Baron Fouquet oder Schulzes Verzauberte Rose oder Tiedges Urania, die in Pommern noch viele adelige Stiftsdamen beseligte, so fing er schauerlich zu lachen an. Die sogenannten Klassiker Schiller und Goethe genoß man nur mit besonderer Auswahl, etwa »Braut von Messina«, »Iphigenie«, »Tasso«, weil man sich dort in fürstlicher Hofgesellschaft befand und standesgemäßen Umgang mit vornehmen Idealen bekam. Dagegen widerrieten die Pastoren schon die Lektüre von »Maria Stuart«, weil der Dichter, dieser lockere Zeisig, über dessen Kredo man im Unklaren blieb, dort dem verruchten Papismus Weihrauch streute.
    Aus Naugard und Stolpe lud er sich diejenigen Offiziere zur Jagd ein, die in ihren Garnisonen als Teufelskerle galten. Seine ländliche Einsamkeit durften nur auserlesene Genossen teilen, die selbst einen biedern Drei-Flaschen-Mann der guten alten Zeit unter den Tisch getrunken hätten. Die Palme und den Preis trug aber stets der freundliche Gastgeber davon. Mit Begeisterung erzählte ein junger dämlicher Dragonerleutnant bei Puttkamers auf Reinfeld bei Zuckers: »Mein Freund Bismarck hat ein neues Getränk erfunden, englischen Porter mit Champagner gemischt. Pyramidal, freilich nur für Kenner! Für Anfänger unmöglich! Und neulich nahm er ein altertümliches Trinkhorn von der Wand, hat's von oben bis unten mit Champagner gefüllt und – was wollen Sie sagen! – goß es auf einen Hieb hinter die Binde. Kolossale Leistung! Dazu schlug er eine tolle Lache auf: ›Ich fordere meine Pässe für die Diplomatie!‹ Witz mir nicht ganz verständlich.«
    Erst das betretene Schweigen bei Puttkamers belehrte den Unglücklichen, in welche Fußangel er hineingeriet, und er

Weitere Kostenlose Bücher