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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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überhäuft«, gähnte Otto auf den Vorwurf, er mache den Pastoren der Umgebung keine Besuche. »Zweimal am Tage besichtige ich das Treibhaus, einmal die Schafhürden, jede Stunde die vier Thermometer im Wohnzimmer. So hab' ich wirklich keine Zeit ... übrigens haben die Pfarrer auch keine Stimme bei den Kreiswahlen.«
    »Sieh einer den Politikus und Diplomatiker!« lachte sein Vater. »Praktisch muß der Mensch sein. Du bist der erste Bismarck, der auf Wollmärkten Bescheid weiß. Ein gediegenes Früchtchen wirst du werden und noch an Fett und Wohlbehagen krepieren, wenn du so fortmachst.«
    Den wahren Grund, warum er Pfarrer mied, verschwieg Otto. Seine religiöse Gesinnung erfreute sich einer zunehmenden Laxheit. Wenn er von des Landmanns Cromwell Prayer-Meetings und Kummunion mit den puritanischen Heiligen las, schüttelte er sich. Brr! Der Kerl ist mir im Grunde doch antipathisch. Wo da der Glaube aufhört und die Heuchelei anfängt! Ein gesunder Mann ist doch keine Betschwester. Imponieren tut mir nur die derbe Junkerfaust, mit der er nachher das Plapperment, das sogenannte Parlament, traktierte. Nee, sympathisch sind diese großen historischen Herrschaften alle nicht. Napoleon kommt mir wie ein Falstaff vor, Friedrich der Große war manchmal eineitler Windbeutel, datierte seine französischen Oden auf geschichtliche Momente und brüstete sich: Nicht üble Verse vor einem Schlachtabend! Solche ungeschäftsmäßigen Romantizismen sind immer Pose, mir ekelhaft. Und Richelieu, der schlechte Verse schrieb, und Corneille aus Dichterlingsranküne ein Bein stellte, ist der beste Bruder auch nicht. Es scheint, mit solchen Menschlichkeiten muß man bei den großen Herren der Geschichte fürlieb nehmen. Hm, Cromwell fällt aber doch in mein Gusto, weil ihm zuerst die Einigung der britischen Inseln gelang. Durch die Einheit zur Groß- und Weltmacht! Erst durch ihn ist England groß geworden. Das ist gewiß ein Fingerzeig, aber das rasche Ende seines Commonwealth auch. Was helfen solch überstürzte Gebilde von Republiken, als lebten wir im Altertum! Denn die italienischen Republiken, die es zu etwas brachten, wie Venedig, waren bloß Adelsoligarchie, und ein krasses Junkerregiment scheint mir auch nichts Ersprießliches. Ob der amerikanische Freistaat sich erhält, weiß auch niemand. Die Sklavenbarone im Süden sind doch die reinen Feudalen. Nee, mit Revolution und Republik ist in Europa nichts anzufangen. Aber gibt's am Ende nicht auch eine Revolution von oben? Hieß nicht der Alte Fritz mit Recht der Revolutionär auf dem Throne? Damit läßt sich noch heut was machen. Unser jetziger Herr ist ja schrecklich geistreich, soweit ein kleiner Outsider wie ich aus der Ferne beurteilen kann, man begreift nur nicht, was er will. Vielleicht wälzt er große Pläne im Busen und kommt nur nicht recht damit heraus. Fromm ist er freilich auch, das tut nicht immer gut, Karl I. war auch fromm, und doch ließ er für sich seinen getreuen Minister Strafford das Schafott besteigen, ließ ihn feige im Stich, bloß um selber später aufs gleiche Schafott zu wandern. Nee, soviel weiß ich: für so einen König ließ ich mich nicht köpfen, da wär' mir mein steifer Nacken zu lieb. Nur treue Herren haben treue Diener ... Ach, wozu solch müßige Spekulationen! Was schert mich die hohe Politik! Ich bin der geborene Schafzüchter und wäre ein rechtes Schaf, wollt' ich politische Wolle zu Markte tragen. Damit bringt man's oft nur zum Wollespinnen im Zuchthaus, was ich manchem Demagogen wünsche, der heut im Jahre des Heils 1842 – 200 Jahre seit Ausbruch des Puritanerkriegs – so ungebärdig lärmt.
    *

»Hilfe, ich ertrinke!« Der Bursche des Landwehrleutnants Bismarck fiel bei Pferdeschwemme in tiefes Wasser. Ohne Besinnen sprang da sein Herr hinein und rettete ihn mit großer persönlicher Gefahr, unter dem lauten Hurra der Kameraden. »Na, lieber Hildebrand, künftig vorsichtiger! Wasser tut's freilich nicht, aber wer die Taufe der Todesfurcht riskiert, muß ordentlich schwimmen können! Den Ort hier, Lippehne, wirst du im Gedächtnis behalten, dem Tod ins Auge sehen ist eineFeuertaufe wie die Schlacht für den Rekruten. Ich bin mal wie toll geritten, und der Gaul scheute und warf mich ab: drei Rippen gebrochen, ich glaubte zuerst mein letztes Stündlein nahe. Der Doktor meinte nachher mit sittlicher Entrüstung, es sei ein Skandal gegen jede wissenschaftliche Methode, daß ich nicht den Hals brach. Na, da hat man sonderbare Gedanken.

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