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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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von Fach mit Leib und Seele, ich denke ihn mir als Oberförster im Sherwoodwald. Außerdem muß er Jus studiert haben, ich merke das als Jurist. Das Theater kannte er, nun ja, deshalb braucht er noch kein Histrione gewesen zu sein. Goethe und Schiller kannten auch das Theater. Vor allem aber, sag' ich dir, der Mann kannte Staatsgeschäfte genau, wußte, wie es dabei zugeht, das merk' ich, das kribbelt mir in den Fingern.«
    Blanckenburg sah ihn dumm an. »Was soll nun das? Soll der Name des Autors gefälscht sein?«
    »Wie man's nimmt. Shake-Speare heißt Speerschütteler, das klingt doch verteufelt nach Pseudonym. Es mag sich ein hoher Herr hinter einem Strohmann versteckt haben. Nimmermehr glaub' ich, ein beliebiger Schmierenschauspieler habe solche Werke vollbracht. Das ist unmöglich und die Begriffsstutzigkeit der gelehrten Kommentatoren erstaunlich, die an solchen Aberwitz glauben.«
    Blanckenburg schüttelte den Kopf. »Schon wieder eine neue Schrulle! Entschuldige! Aber es ist doch sicher unmöglich, daßein Mensch von Genie im Verborgenen bleibt und sich nicht nennt.«
    »Meinst du?« Ein eigentümlicher Blitz schoß unter den buschigen Augenbrauen hervor. »Eins kann sich jeder vorstellen, daß nämlich ein Genialer gar nicht an die Oberfläche kommt, weil das Schicksal nicht will. Von da ab aber ist nur ein Schritt zu der Möglichkeit, daß er persönlich nicht gekannt sein will , daß er nur seinen geheimen Werken lebt und den Ruhm verachtet. Die Welt ist gar nicht wert, daß ein Speerschütteler sich ihr preisgibt.«
    »Das ist mir zu hoch. Doch um von ernsteren Dingen zu reden, von deinem Seelenheil: bist du glücklich bei deinem Träumen und Vagabundieren?«
    »Das könnt' ich nicht sagen. Über Gott und Jenseits sagen mir alle Denker und Dichter nichts Gewisses, und ich habe manchmal das Bedürfnis, mich daran aufzurichten, daß dies sündige Leben doch einen Sinn habe.«
    »Siehst du wohl!« Auf der Stelle stürzte sich der fromme Junker in einen theologischen Diskurs. Otto hörte geduldig zu und schwieg. –
    Auf seinem treuen Caleb, einem muntern Klepper, ritt er meilenweit durch die Rieselfelder, wo saftiges Wiesengrün und Wasserflächen unter schattenden Eichen in der Sonne blitzten. Im Park des sogenannten Dombergs kamen dukatengroße Blätter von Flieder und Faulbaum heraus, die Stachelbeeren zeigten eine frische, giftgrüne Farbe, weiße und blaue und gelbe Primeln konnte sich der Junker zum Strauße winden. Das waren ja die Couleurs seines eigenen Wappenschildes. Doch für wen winden? Es kam über ihn jene weiche Schwermut träumerischer Versonnenheit, die ein Dichter in die Worte goß: Ich liebe eine Blume, doch weiß ich nicht welche... ich such' ein Herz so schön wie das meine, so schön bewegt. Diese Heiden und Büsche, Seen und Ackerfelder, die Kätnerhäuser und Tagelöhner kannte er von Kind auf, er hatte hier unter manchen Baumes Wipfel gespielt und geschlafen, den er einst selber gepflanzt. Ein feiner Regen rieselte auf die von leichtem Wind bewegten Grashalme nieder und verfing sich plätschernd im Gebüsch, durch dessen Lichtung ein mattes Abendrot hereinlugte. Und dem seltsamen Menschen wurden die Augen naß. Wie der Regen sickerte, schienen salzige Herzenswasser ihm bis zum Munde zu steigen. Jugend, Begabung, Vermögen, Gesundheit, wieviel davon hatte er schon vergeudet, verpraßt, über Bord geschleudert! Er kam sich merkwürdig alt vor. Und wozu führte all das jugendliche Überschäumen? Zu einem Wrack ohne Hafen, zur Reue eines entweihten Herzens über dumme, plumpe Genußsucht ohne wahres Genießen. Was liebte er? Nichts. Wer liebte ihn? Niemand. Doch was darf man weiter verlangen von einem mittelmäßigen Leben, wenn man selber nur mittelmäßig! Er dachte an den JünglingCarlos »und nichts für die Unsterblichkeit getan«, und lachte bitter. Als ob man so leicht was für die Unsterblichkeit tun könnte! Ein pommerscher Landjunker baut seinen Weizen und Hafer und damit holla, das Abendrot soll ihn ungeschoren lassen, denn weder Poesie noch Ruhm bescheinen seinen gediegenen Viehstall. –
    Das klirrende Waffenhandwerk wäre wohl noch die einzige Rettung für ein so unbefriedigtes Dasein. Unter dem Vorwand, die angenehme Gesellschaft einiger Kameraden länger zu genießen, machte er sich gründlich mit dem Reiterdienst bekannt. Diese Waffengattung gefiel ihm am besten, und er führte theoretische Diskurse darüber, ob ihre Rolle als Königin der Schlachten schon

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