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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wenn jemand uns ans Tor poltert, und einen tüchtigen Sparren im Kopfe haben, wenn jemand uns am Helme zaust.«
    Otto warf ihm einen dankbaren Blick zu. Die liebenswürdige Xanthippe nickte jedoch tiefinnig zu solcher Auslegung und seufzte schwer. Ihre holde Tochter hauchte:
    »Ach, Ihre schwarzweißen Straußenfedern mit der Silberraute und die güldne Grafenkrone überm Helm! Euer Wappen, Otto, ist doch zu einfach.«
    Ihm schwoll eine Zornesader. » Take or leave it ! Mit Bohlens Krönlein können wir nicht aufwarten, Komteß. Grafen machte jeder Fürst, Ritter machte Gott. Unterschied der Titel hebt die Adelsgleichheit nicht auf.«
    »Selbstredend!« beeilte sich Graf Wartensleben zu bejahen, und Vetter Fritz bekräftigte: »Kleeblatt bedeutet Treue, und das ist der wahre Adel.«
    Die schnippische Schöne und die unmögliche Schwiegermutter hatten am Innern von Schönhausen viel auszusetzen. Bei der Inspektorsgattin Bellin, die einst Otto und seine Geschwister auf den Knien gewiegt, einer derben, tüchtigen Märkerin mit hellen Augen, stolz auf ihre Riesenküche mit dem berühmten Salzkastenpfeiler, erwarben sich die anspruchsvollen Damen kein Wohlwollen.
    »Die Olle klappert mit de Oogen!« entdeckte sie das veraltete Bedürfnis der intriganten Witwe, auch noch Gegenstandzärtlicher Blicke zu sein, was ihr künftiger Eidam freilich vernachlässigt hatte.
    »Eins mißfällt mir hier«, bekannte dieser. »Ich habe eine Stunde zu reiten, ehe ich ins Holz komme, und der schwere Weizenboden ist klumpig. Als Reiter ziehe ich deshalb Kniephof vor.« Die Linden am unteren Ende der großen Allee und die besonders schöne erste Kastanie zunächst am Schlosse, wo ein breiter, gepflasterter Weg sich der Einfahrt mit gemauerten Pfeilern näherte und im Schloßhof eine mächtige Linde vor einer Sandsteinvase aufragte, warfen stillen, grünen Schatten umher. Das hohe Dach des schweren Gebäudevierecks umspielten goldige Sonnenlichter. Doch von der prächtigen Dorfkirche mit der schöngeschnitzten Kanzel kam ein heiserer Klang. Die Glocke, geborsten und noch nicht umgegossen, schien mit Mißton Unheil zu prophezeien.
    Dies blieb nicht aus. Nachdem die halboffizielle Verlobung sich längere Zeit hinschleppte, zeigte Otto dem Vetter Fritz eine erbauliche Zuschrift der Schönen, die unter ziemlich beleidigendem Vorwand das Band löste. »Ich bin ein unerträglicher Charakter? Das edle Mutterherz hat den Schmarren diktiert. Um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sie ist die böseste Hexe zwischen Elbe und Havel. Ich könnte unangenehm werden, die Herren Brüder meiner treulosen Flamme zu Schießerei einladen, doch Manöverfechten gegen Staub und markierte Feinde verdarb mir den Geschmack. Gewinst in der Ehelotterie ist mir nicht beschieden, doch dadrum keine Feindschaft nich! Ich will den Kopf schon über Wasser halten.«
    Um dem guten Alten zu Willen zu sein und seine trübe Einsamkeit loszuwerden, verpflanzte sich Otto wirklich nach Potsdam zurück an die Stätte seiner früheren Tätigkeit als Referendar. Schon bei den Antrittsvisiten spürte er, daß die Räte, seine einstigen Vorgesetzten, ihn als einen Abtrünnigen, einen sozusagen der Schule Entlaufenen betrachteten, der nun nonchalant seine unregelmäßige Beamtenlaufbahn wieder aufnehmen wolle. Die Kühle des Empfangs trug nicht dazu bei, seine guten Vorsätze zu verstärken. Außerdem fühlte er heraus, daß die alte Abneigung der höheren Beamten gegen das konservative Junkertum eher noch zunahm. »Haben lauter liberale Mucken im Kopf!« klagte er seinem Vetter Fritz, der ihn besuchte. »Unsereins von unserer Klasse, die Rittergutsbesitzer, sollen alle nach ihrer Pfeife tanzen.«
    » Qu'importe ! Hoffentlich wird diesmal etwas daraus, daß du in die Karriere kommst. Deine Kusine in Karlsburg und Linchen sind noch heut untröstlich über den Refüs, den du damals gabst, als sie dich im Amte festhalten wollten.«
    »Meine gnädige Kusine und Karoline urteilen eben nach dem Schein, wie Frauenzimmer tun«, rief Otto ärgerlich. »Von der Folter, die ein regsamer Geist am grünen Tisch der Staatsmandarinenaussteht, haben sie keine Ahnung. Lauter chinesische Zöpfe! Damals war ich 23 Jahre alt, das Alter der Illusionen, heut bin ich volle 30, um so viel Illusionen ärmer. Damals hatte noch die praktische Nationalökonomie des Landwirtberufs, wenn ich mich so ausdrücken darf, den blauen Dunst ferner Berge. Heut weiß meine Erfahrung das arkadische Glück doppelter

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