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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Beide dachten unwillkürlich: dem möcht' ich nähertreten. –
    Seit Jahren laborierte Otto an neuem Herzensübel, das sich nach Schönhausen hinüberspielte. Er fand in der Altmark jene Schöne von gutem Range, deren Ballreize ihn etwas aufregten und an die man ihn standesgemäß verheiraten wollte. Anfangs sträubte er sich, gleichwohl kam ein halbes Verlöbnis zustande. Sinnlicher Anreiz herrschte vor. Schon nach wenigen Wochen erwarb er sich aber die Ungnade der künftigen Schwiegermutter, die ihn allzu unverfroren über sein Vermögen ausholte.
    Eines Sonntags ritt er mit seiner Huldin und einer Kavalkadevon Standesherren durch die grüne Landschaft von Jerichow, über der die Sonne lag und die Glocken läuteten. Das metallene Christusbild an der Redeliner romanischen Kirche blitzte, um das uralte graue Steinwerk säuselten hohe Pappeln.
    »Wie die Glocken mir wohltun!« Er atmete hoch auf.
    »So fromm, Otto?« fragte sie halb spöttisch.
    »Das nicht, doch es tönt so viel Poesie heraus.«
    »Nanu? Die Leute sagen doch, du seist ein Heide. Ich natürlich bin gute Christin, Mama hält darauf. Ist dies da Alvenslebens Herrenhaus? Zu pauvre für meinen Gout. Die Felder sind wohlbestanden, Jagd scheint gut. Schau, Damwild!« Am Laubwaldstreifen ums Nadelholz der märkischen Heide äugte ein scheues Reh, witterte neugierig und galoppierte davon, um tiefer im Innern zu äsen.
    Er hielt den Zügel an und sog den Duft ein, der von Blüten alter Linden und den Rosengärten von Jerichow aufstieg, geschwängert mit Heugeruch der Landmark. »Die Natur in ihrer holden Einsamkeit stören ist eigentlich ruppig.«
    Sie zuckte die vollen Schultern und verzog den Wund. »Sentimental? Wozu ist Wild da, als um geschossen zu werden? Jagd ist gottvoll. O, hier ist Fischbeck. Euer Grund und Boden, nicht?«
    »Macht sich«, erwiderte er zerstreut. Sein Blick schweifte über die Fähre und den Elbspiegel nach Tangermündes Türmen, wo Karls IV. alte Kaiserburg ragte. »Dort drüben stand die Gerichtslinde, wo ein Kaiser Hof hielt. Ein deutscher Kaiser in unsrer Mark statt im goldenen Mainz oder anderen Pfalzen am Rhein und Harz! Wird nimmer wieder vorkommen, daß ein Markgraf von Brandenburg den Kaisertitel trägt. Eigentlich war's ein Ausländer, ein halbdeutscher Böhmake, aber –«
    »Was du nur immer in muffigen Scharteken wühlst!« unterbrach sie ihn schnippisch. »Das ist so lange her, daß es gar nicht mehr wahr ist.«
    Er sah sie von der Seite an und schwieg. Nun fuhr man nach Schönhausen hinüber. Die Begleiter stritten über das Wappen der Kattes, deren Besitztümer zwischen Havel und Elbe verstreut liegen.
    »Blauer Schild mit weißer Katze, die eine Maus im Maul hält! Riecht nach Raubritterei!« meinte ein junger Gardeoffizier, Graf Wartensleben.
    »Deshalb ist's bei uns über der Tür in Stein gehauen«, lachte Otto gleichmütig. »Wir Märkischen waren schlimme Brüder. Unsre Ahnfrau war eine Katte. Wir sind hier meist verschwägert, so Kattes mit Euch Wartenslebens.«
    »Ganz recht. Euer eigenes Wappen gefällt mir besser: goldenes Kleeblatt im blauen Feld, mit silbernen Eichblättern in drei Winkeln.«
    »Ich hätte nichts dawider, wenn wir ein Schwert oder sonst Gewalttätiges im Schilde führten.«
    »Glaub's wohl«, schnitt eine scharfe Stimme dazwischen, die der künftigen Schwiegermama. »Sie haben ein Stück Tyrann im Leibe, gelt?« Sie blickte auf den schwefelgelben Kragen und Mützenstreifen der Landwehrreiter, deren Uniform der letzthin zu einer Übung eingezogene Otto trug, als sei dies die Livree des Höllenfürsten. Fritz Bismarck-Bohlen fiel rasch ein:
    »Warum nicht gar! Wir Bismärcker waren stets gute Kerls und sanfte Gutsherren. Das weiß der Bauer. Da bin ich stolz drauf.« Bohlens und Wartenslebens, »liberal« angehaucht, suchten das Edelmännische in friedlich freundlicher Gesittung. Ottos Schöne aber schmollte und stichelte:
    »Bohlens haben einen roten Greifen im zweiten Silberfeld und Büffelhörner über dem Helm. Das sieht viel imposanter aus.«
    »Besagte Büffel führen wir auch«, berichtigte Otto ruhig. »Das bedeutet Büffelmark. Hörner lassen wir uns freilich nicht aufsetzen, und die diversen Greifen der Bohlens zeigen an, daß wir feste zugreifen.«
    »Den Sparren nicht zu vergessen«, flocht die unartige Schwiegermama spitz ein.
    »Der Sparren aus roten Stufen und der Baumstamm im Helm,« erläuterte Fritz gemessen, »bedeuten vermutlich, daß wir gerne mit dem Zaunpfahl winken,

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