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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Tagen hat die unbehagliche Sonntagsheiligung nur Heuchelei zur Folge. Bah, ich habe schon genug. Steifleinene Baumwollseelen, die Bibel in der einen und das Kontorkontobuch in der anderen Hand, a nation of shopkeepers . Was soll man denn davon lernen? Fromme Grimassen und stillen Suff. Diese Seeräuber haben bloß Glück gehabt, zu Shakespeares Zeit kamen sie materiell und literarisch plötzlich um eine Pferdelänge voraus, weil unsere verfluchten Religionskriege uns kulturell zurückwarfen. Nachher hatten sie Überfluß an Kohle und Eisen für die Industrie, da steckt das ganze Geheimnis ihres Vorsprungs. Nun, ich will mir London sparen, im romantischen Schottland wird man solche Pharisäersitten nicht kennen.
    Und er drehte sich auf den Hacken um und löste ein Schiffsbillett nach Edinburgh, was eine rührende Unkenntnis schottischer Frömmelei verriet. Der arme Reisende machte ein langes Gesicht, als er dortige Bräuche noch freiheitswidriger fand als in England. So viel Betrunkene sah er nie, wie Sonnabend nachts an den Straßenecken, doch die Betrunkenen schnarchten dann pflichtschuldigst in der Kirche. Die Romantik von Walter Scott, die seinen Feudalinstinkt angenehm kitzelte, schwand ja auch schon lange, zum zerfallenen Holyrood führte eine schnurgerade Straße, die schönste und regelmäßigste Britanniens, Princesstreet. Doch blieben genug alte Burgen und Klöster, umrahmt von reizenden Landschaftsbildern, daß sie sein halbkünstlerisches Empfinden befriedigten. Nichtsdestoweniger machte er bei der Heimkehr seiner Enttäuschung humoristisch Luft, als ob sich bei ihm alles um Leibeskost und Speiseatzung seines umfangreichen Korpus drehe: »Ich bringe von diesen berühmten Inseln nur eine große Erinnerung mit, Welsh Rabbits, gerösteten Käse auf geröstetem Brot. Das ist eine Errungenschaft, Entdeckung von Neuland. Sonst alle Fressalien eintönig und salzlos wie die Bewohner, Beaf und Mutton, Mutton und Beaf. Boiled Beaf ist fein, doch in Mecklenburg pökelt man besser. Gemüse in Wasser, schauderhaft! Die Puddings ein fetter Kleister, Plumpudding nur kalt vorzüglich, was man bei uns nicht weiß. Pommersche Gänsebrust und Flundern sind viel gediegener als ihre Salmonsteaks. Und einen Stoff trinken sie drüben mit Sodawasser, heißt Hock, soll heißen Hochheimer – eine schnöde Verleumdung! Gänsewein von Jüterbogk ist nichts dagegen und Moselkutscher ein Idealgebilde. Sherry ist lauter Sprit, Port wegen der Seereise gut, Ale und Porter sind Magenbitter, meist verpanscht, denn alle Brauer werden Millionäre.« Ein Seufzer der Sehnsucht ging durch die andächtig lauschende Versammlung der Standesherren in Naugard. »Gegen französische Küche will ich nichts sagen. Champignons in Öl, Bouillebaisse-Fischsuppe, Artischocken, Sauerampfersalat sind Spezialitäten, aber im ganzen doch mehr Ragout als saftiger Braten. Ich lobe mir norddeutsche Kost, und die lobenswerten Weine Bordeaux und Burgunder nippen sie mit Wasser.Keiner wagt einen ehrlichen ungemischten Schluck. Pfui Teufel, was kann man von solchen Schwachmatikussen erwarten!« Zur Erbauung von Männlein und Fräulein schloß er: »Mit denen können wir uns noch messen. Das sind nur die Fremdwörter, die uns blenden. Die Grampians sind nicht schöner als der Harz, der Rhein ist viel schöner als Themse und Seine. Der dumme Michel schwatzt von des Deutschen Reiches Erzstreusandbüchse, aber Potsdam und die Havelseen sind viel reizvoller als Richmond oder St. Germain. Versailles, nun ja, aber ich lobe mir mein Sanssouci, und wenn Paris viel großartiger als Berlin, die Pariser sind Laffen, ihren berühmten Esprit stecken wir noch lange in die Tasche. Die Deutschen sollten endlich lernen: Wozu in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah! Laßt euch nur nicht verblüffen von den Ausländern, die koofen den Alten Fritz noch lange nich.«
    Das freilich verschwieg er, daß er seinen alten Liebeskummer, dessen Wunde wieder aufbrach, von England zurück nach Frankreich und von da bis über die Alpen trug auf der Fährte verflossener Glückserinnerung. In London feierte er bei kurzem Aufenthalt ein peinliches Wiedersehen. Als er im Hydepark am Marble Arch den Reitweg Rotten Row entlang schritt, wo die schöne Welt zu Pferd und Wagen sich tummelte, stand ihm das Herz still. Er sah Isabella plaudernd vorüberreiten, sie übersah ihn in der Menge oder würdigte ihn keines Blickes. Über Triest nach dem Orient! war sein erlösender Wunsch. Das europamüde

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