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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mit der unschuldigsten Miene setzte er hinzu: »Ich wollte um Urlaub nachsuchen, doch Herr Geheimrat gaben mir so lange Zeit zum Überlegen, daß ich nun lieber gleich um meinen Abschied nachsuche.« Der Vorgesetzte stierte ihn an, wie Polonius den Hamlet, und stotterte wutschnaubend hervor, daß dieser lobenswürdigen Absicht nichts im Wege stände. –
    So stand der Junker vom Kniephof also wieder draußen. Aus und zu Ende mit dem Staatsdienst! Als er heimfuhr, dachte er: Wenn ich nicht Reiterschwadronen drillen darf wie Cromwell, so kann ich doch, wie der mal wollte, nach Amerika auswandern. Ich will an Motley und Coffin schreiben, ob sie dort einen Ranch, eine Farm, einen jungfräulichen Boden fürmich wissen. Ich bin ein Farmer, weiter kann ich nichts. Mit der Armee in Friedenszeiten würd' ich vom Regen in die Traufe kommen. In einer kleinen Garnison versauern, wäre Selbstmord. Na also, pflanzen wir weiter unsern Kohl! Die Sonne scheine auf Gerechte und Ungerechte, wenn sie nur auf meinen Weizen scheint! Das Weltverbessern überlasse ich anderen, ich will mein eigenes Los verbessern und als Landmann meine Ochsen mästen.
    *

Den Klagen der Verwandtschaft verschloß er sein Ohr und vergrub sich wieder in Kniephofs bukolischem Idyll. Doch der Tod seines Vaters, der bei dessen Rüstigkeit früher erfolgte als anzunehmen, riß ihn aus seiner mühsam gewonnenen Ruhe. Nun steh' ich ganz allein! dachte er. Malwine hat ihren Mann und ihre Kinder, Bernhard steht mir geistig zu fern. Sonderbar, diese Verschiedenheit in der gleichen Familie! Mehr noch als bei uns kleinen Leuten findet man das bei den Großen. Das hat man ja auch bei Napoleon und Friedrich dem Großen, den paar großen Männern, die überhaupt Geschwister hatten. Wie schneit solch ein Genie mitten unter Durchschnittsmenschen hinein, alle vom selben Blut, aus demselben Schoß geboren? An der Astrologie muß doch was Wahres sein, Aspekt der Gestirne oder sonst ein kosmisch-transzendentaler Eingriff erklärt allein dies Rätsel.
    Bei Teilung des Erbes mit seinem Bruder behielt er Kniephof und erhielt Schönhausen dazu, wohin er jetzt seinen Wohnsitz verlegte, jedoch oft genug auf sein pommersches Gut zurückkehrte. Der Kreis seiner Standesgenossen in der Altmark stand an Geist und Bildung erheblich höher als in Pommern. Seine Vereinsamung milderte sich daher wenigstens äußerlich. Da er hier nicht wie in Kniephof den wilden Mann spielte, sondern sich umgänglich zeigte, bot man ihm an, ihn zum Deichhauptmann zu wählen. Dies unbezahlte Ehrenamt nahm er um so bereitwilliger an, als dessen Ausübung im Elbedistrikt seinen eignen Besitzstand sicherte, der an das Elbufer grenzte. Er unterzog sich der Aufgabe mit Feuereifer und bestrebte sich, sie treu zu erfüllen, zumal er seinen Vorgänger wegen Pflichtversäumnis anzeigen mußte. Hierdurch kam er mehr mit den Landleuten und verschiedenen Schichten der bürgerlichen und bäuerlichen Bevölkerung zusammen, als dies in Pommern früher geschah. Die soziale Frage dämmerte ihm in besonderen Umrissen, und so schrieb er seiner Schwester, er werde ihren Mann mit Gewalt nach Potsdam entführen, wo »die Gesellschaft für Besserung des Loses der arbeitenden Klassen« am 7. März 1846 einen Verbandstag abhielt. Schon zur Zeit, als sein Vater starb, begannen sich endlich in ihm erotische Triebe zu regen. Auf einem Ball in Ünglingen, dem Gut der Bohlens, traf er eine reizende Jungfrau, in die er sich zu verlieben glaubte. Doch eine Unterhaltung offenbarte ihm,daß ein verlockendes Äußere keineswegs ein schönes Innere verbürge. Nach 24 Stunden war der Rausch verflogen. Was soll mir das! urteilte er, kühl bis ans Herz hinan. Bedarf ich einer Puppe zum Spielen wie kleine Kinder? Das mindeste, was man verlangen kann, ist eine gute Hausfrau. Und seinem Freund Moritz, der ihn wieder heimsuchte, erwiderte er auf dessen Drängen »du mußt heiraten!« mit bedächtiger Ruhe: »Wozu eigentlich? Meine Freiheit fesseln an irgendeine Unbekannte, von deren Seele ich vor der Ehe ja doch nichts erfahre? Ich spiele nie in der Lotterie und sollte hier dem Zufall vertrauen?«
    Doch die Natur läßt ihrer nicht spotten, und ein vollsaftiger Mann in noch jungem Alter widerstrebt umsonst dem Zwange des Blutes. Bald merkte er, daß er wohl auf Freiersfüßen gehen müsse und zum Hagestolz verdorben sei. Er fühlte sich einsam und verlassen, das kalte, feuchte Wetter stimmte ihn liebessehnsüchtig. »Ja ja, ich sehe es ein,« gab er

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