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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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kleinlaut zu, als Blanckenburg ihm in Kniephof eine bestimmte Partie vorschlug, »mein Zappeln hilft nichts, ich werde wohl heiraten müssen. Deine Donna macht keinen Eindruck auf mich, doch das nämliche gilt von allen andern Frauenzimmern meiner Bekanntschaft. Ach, mir ist unbegreiflich, wie man immer nur für eine Person besondere Vorliebe und Treue bewahren soll. Glücklich die fürwahr, die ihre Neigung nicht so oft wechseln wie ihre weiße Wäsche – so selten auch letzteres Ereignis bei ihnen vorkommen mag.«
    »Schon wieder diese frivole Auffassung vom Stand der heiligen Ehe, diesem Sakrament!« predigte der fromme Blanckenburg. »Wie darf man etwas anderes erwarten, wo hier bei dir auf dem Tische die Gotteslästerungen eines Strauß, Feuerbach, Bruno Bauer herumliegen! O wenn's nach mir ginge, würde ich ein schönes Feuerchen schüren und den ganzen Mist verbrennen wie der teure Gottesmann Luther die Bannbulle!«
    »Und die Autoren wohl mit dazu dem Autodafé überantworten?« Otto lächelte spöttisch. »Kennst du denn diese Schriften?«
    »Da sei Gott vor! Soll ich meine reinliche Christenseele beflecken? Doch ich weiß von befreundeten Pastoren –«
    »Du kennst sie nicht, aber mißbilligst sie. Das ist die wahre christliche Liebe. Nun, laß dir gesagt sein, das sind wirklich zweifelhafte Arzneien, mit Vorsicht zu genießen, und in manchen Fällen gleichen sie Pullen, auf denen ein Kreuz steht mit der Etikette: Achtung, Gift! Diese zersetzenden Kritiker überzeugen auch nur den, der überzeugt sein will, auch sie verlangen eine Art Glauben. Den besitze ich nicht, vor aller Welt bekenne ich meine Schwäche.«
    »Er bekennt!« rief Moritz entzückt. »Er legt das Bekenntnis ab, daß ihn der Antichrist nicht verführte. Das ist die erste Stufe zur Läuterung. O laß uns im Gebete ringen!«
    »Du übereilst deine Freude«, versetzte Otto gutmütig, gerührt von so viel Freundschaftseifer. »Ich glaube nämlich garnichts, nicht das eine, nicht das andere. Wenn ich an Christum nicht glaube, warum sollt' ich an Feuerbach glauben? Sein ›Geist des Christentums‹ ist nur des Herren eigener Geist.«
    Moritz verstand zwar nicht diese goetheisierende Anspielung, aber ließ sich nicht beirren: »Ich sehe das Samenkorn der Erleuchtung in dir keimen. Bekenne aufrichtig, warst du je glücklich bei deinem Heidentum?«
    »Das nicht.« Otto strich sich nachdenklich mit der Hand über die Stirn. »Im Gegenteil, was schlimmer, entdeck' ich in mir viel Unsicherheit und Unklarheit.«
    »Herrlich! Die Klarheit ist Gottes Wort. Wer nicht auf die ewige Seligkeit baut, der hat fürwahr auf Sand gebaut. Sprich dich aus ohne Umschweife!«
    »Nun ja, warum nicht? Schaden kann es nichts.« Otto lehnte sich zurück und sah sinnend zur Zimmerdecke. »Siehst du, in meiner Knabenzeit bis zur Matura war ich bei Plamann und im Gymnasium stets in Pension, dem Elternhause fern und fremd. Kam ich nach den Schulferien aus Pommern heim und sah in der Ferne die Kirchtürme von Berlin, wo doch meine Mutter wohnte, wurde mir weinerlich zumute und ich wäre am liebsten aus dem Postwagen gesprungen und zurückgelaufen, und wär' es barfuß. Ein Familienleben kannt' ich eigentlich nie, das kann dem Gemütsleben nicht förderlich sein. In religiösem Gefühl waren beide Eltern nicht heimisch. Sie waren sozusagen nackte Deisten, dachten friderizianisch, jeder müsse nach seiner Fasson selig werden, hielten derlei für etwas Untergeordnetes ohne Belang, dagegen für einzig wichtig das Reifen des Verstandes durch positive Kenntnisse. Solche Einseitigkeit verstärkte sich noch während der Studenten- und Referendarzeit. Einfluß christlicher Lehre näherte sich nie meinen Ausschreitungen jugendlicher Tollheit. Mein guter Vater war die Nachsicht selber, und meiner Mutter mißbehagte nur, daß ich meine Berufsstudien nicht emsig betrieb. Sie ließ wohl einfließen, daß mein Fortkommen in Hand einer höheren Führung liege, doch griff sie in Fortbildung meines Charakters nicht ein.«
    »Wie stand es um das Gebet? Das hat man dich doch in einem christlichen Hause als Kind gelehrt?«
    »Das gab ich schon als Konfirmand auf. Zu beten, widerspricht der Allmacht und Allwissenheit der Gottheit. Der Allgegenwärtige produziert ja alles selbst als Inbegriff des Seins, also auch mein Gebet, es hätte keinen Sinn, wenn er durch einen Menschen zu sich selber betet. Das ist der pantheistische Standpunkt. Der deistische aber ist: mein Bitten für mich ist eine

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