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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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vermessene Dreistigkeit, denn ich bekunde so einen Willen außerhalb des göttlichen, unabhängig von seinem unabänderlichen Ratschluß, dessen vollkommene Weisheit ich also bezweifle. Wenn alles vorbestimmt nach Gottes Willen, ist das Gebet nur Auflehnung wider Gott.«
    »Dieses ist die verderbliche Prädestinationslehre der altenKalvinisten,« dozierte Blanckenburg wichtig, »längst von der gereinigten Kirche verworfen. Irrtümliche Auffassung des Gebets! Du sollst nicht bitten um Geld und Gut, um Ochsen und Rinder, um alles, was dein ist, sondern um die Gnade Gottes, auf daß das Himmelreich auf dich herniederkomme. Denn siehe –«
    »Verschone mich, lieber Moritz!« unterbrach Otto ruhig. »Ich weiß das alles. Das wahre Gebet, wie ich es heut verstehe, verwerfe ich keineswegs, nur ich selber kann es mir nicht abringen. Vielleicht hätte ich das Bedürfnis, doch sicher nicht die Fähigkeit.«
    »Das Beten will erlernt sein«, stimmte Moritz bei. »Doch du verkündigst mir große Freude durch das Bekenntnis, daß du ein Bedürfnis spürst.«
    »Vielleicht, sagte ich. Ich machte nie ein Hehl daraus, daß ich schon lange und seit früher Zeit an innerer Leere und allgemeinem Überdruß leide.«
    »Unvermeidlich bei solchem Dichten und Trachten!« flocht Blanckenburg ein.
    »Das sagst du. Doch die große Mehrzahl der Menschen fühlt sich ganz kannibalisch wohl, gleichwie 500 Säue. Und viele Moderne geben sich gern zufrieden mit dem Verzicht auf transzendentale Möglichkeiten.«
    »Brauch' nicht so gelehrte Ausdrücke!« maulte der Fromme verdrießlich. »Ich bin ein schlichter Mann und nicht gewöhnt an Spitzfindigkeiten heidnischer Schriftgelehrten. Nahmst du nie die Bibel vor, deine Irrwege zu beleuchten?«
    »Nie. Wohl aber Plotinus, Lucrez, Plato, Demokrit, überhaupt die Philosophen des Altertums. Da fand ich Atheismus und Materialismus oder richtiger Mechanismus, bei Plato freilich entgegengesetzten Idealismus, für mich zu subtil und zwischen den Fingern zerflatternd. Die ewigen Ideen – ja ja, das mag schon recht sein, doch man fröstelt dabei und das verlangende Gemüt gewinnt nichts. Dann kam Hegel an die Reihe, den wir in Berlin als unser Eigen schätzen, sozusagen den königlich preußischen Modephilosophen. Ganz verstanden hab' ich ihn nicht, das fällt wohl seinen glühendsten Anhängern schwer, und ob er seine Phänomenologie selber ganz verstand, ist sein Geheimnis. Es liegt ein tiefer Sinn in diesem nicht kindischen Spiele und Stile, sofern ein Unbedeutender wie ich da mitreden darf. Denn daß alles Vorhandene und Geschehende an und für sich natürlich und kausal, daher vernünftig sei, daß die Realität eine göttliche Offenbarung sei, dem pflichte ich bei. Es ist logisch, daß man daraus Rechtfertigung des historisch Gewordenen herleitet, also Hegel zum konservativen Hofphilosophen ernannte. Die Sache hat nur einen Haken. Dann sind eben auch alle Hexen- und Ketzerverbrennungen löblich, natürlich, vortrefflich, erst recht die Greuel der französischen Revolution. Hegel verehrte ja Napoleon als sichtbarstes Phänomen, als Offenbarung des Weltgeistes.«
    »Infame Blasphemie!« murrte der Fromme. »Und solche Ungeheuerlichkeiten preisen die Liberalen am Hofe! Da muß Wandel geschafft werden. Mein Freund, der Generalsuperintendent –«
    »Der Korse«, fuhr Bismarck tiefsinnend fort, ohne auf das Geschwätz zu achten, »war insofern Hegels Eideshelfer, als er stets von seiner Mission sprach und sich den Mann des Schicksals nannte, auch von seinem Stern fabelte wie Wallenstein. Das war wohl etwas Pose des Selbstgefühls, doch zutiefst ehrliches Empfinden, und was ein so Großer fühlt und glaubt, darf unsereins nicht von der Hand weisen. Nun wohl, sein Schicksal ließ doch zu, daß er schmählich unterlag, obschon viel von seinem Streben vernünftig und berechtigt gewesen sein mag. Wo blieb nun der Weltgeist, der ihm die Mission gab?«
    »Was, jetzt glorifizierst du gar den verruchten Bonaparte?« Moritz sprang empört auf. »Diese eingefleischte Revolution, diesen Parvenü, der ehrwürdige Dynastien von Gottes Gnaden in den Staub warf!«
    »Das hat ihm Gott offenbar verziehen«, bemerkte Otto boshaft, »denn solange er bloß mit den Fürsten zu tun hatte, ging alles gut und erst schief, als er die Völker gegen sich aufbrachte. Die waren eben auch verdammt real, also vernünftig. Und da sie siegten, müssen sie wohl vernünftiger gewesen sein als er. Woraus zu folgern: Erstens, daß selbst der

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