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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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vorwitzige Sträucher schon naseweis niedliche Blättchen vorstrecken wie gute Groschen. Hagebutten und Stachelbeeren sind dann noch sehr hell im Grün, die Weiden aber haben schon Palmen!«
    »Wie Sie die Natur beobachten!« lobte Marie freundlich. »Man ahnt gar nicht, was für eine poetische Seele Sie eigentlich sind.«
    »Ich habe nur offene Augen für Gottes Schöpfung«, sagteer bescheiden. »O, im Herbst ist's hier auch wunderbar. Das Sausen der Bäume tut so wohl. Die Blätter tragen die Morgenröte der Herbstfarbe, ein leichter, fahler Schein liegt über dem Grün. Dort der große Ahorn auf der Brücke ist dann schon dunkelrot.« Er wies auf einen Baum am Schwanenteich, wo er sie zu einer Bank geleitete. »Ich werde mir erlauben, Ihnen ein Blatt davon als Souvenir zu schicken.«
    »Ach die niedlichen jungen Schwäne, die auf dem Inselchen vorgucken!« Johanna klatschte in die Hände.
    »Was heut im Ei sitzt, wird bald flott herumschwimmen zwischen den garstigen Enten, die sich im Schlamm beschmutzen. Schwäne und Enten gibt's auch unter den Menschen, besonders den Frauen.« Er verbeugte sich galant.
    »Hoffentlich sind wir keine Enten«, lachte Marie. »Aber die Schwäne tun nur so majestätisch. Eigentlich sind sie dick und grau und haben böse, schwarze Äuglein. Wie blasiert sie sich im Schilf putzen! Die Alten sind noch fauler als ihre Jungen, sie drehen den Hals auf den Rücken und blinzeln schläfrig.«
    »Es folgte Edith Schwanenhals der Leiche ihrer Liebe«, zitierte Otto ernsthaft. »Ich schwärme für Schwanenjungfrauen. Wollen wir sie nicht füttern? Ich habe eine Semmel dazu eingesteckt, wenn die Damen befehlen.« Die Damen freuten sich über diese Aufmerksamkeit und besichtigten auch den Goldfischteich, der aber in der Sommerhitze fast ausgetrocknet schien und über den Kastanien und Faulbäume weiße, rotpunktierte Dolden und Laub streuten.
    »Das sind weichliche Wesen, die Linden auch, im Herbst raschelt hier alles von gelbem Laub, und die Kastanienkuppeln prangen in wechselndem Farbenspiel. Das zieht an und stimmt doch trübe. Ganz anders unsere starken Eichen – wir haben uralte hier –, die stehen noch im Winter starr und trotzig wie ein greiser Germanenrecke, der keinen Strohtod sterben will.«
    Johanna sah zu diesem Recken auf und lächelte schelmisch: »Wenn Sie mal weiße Haare haben, werden Sie nicht mehr so fest auf den Füßen stehen, weil Sie das Zipperlein plagt. Sie pokulieren zu viel, hab' ich gehört.«
    Otto biß sich auf die Lippen. »Der Stich saß, meine verehrte und holde Freundin. Ich kenne mein Laster. Und was mich am meisten ärgert, ist meine Vorliebe für den welschen Champagner. Ein echter deutscher Mann sollt' nur den Rheinwein leiden ... allenfalls den Mosel, den Seine Hoheit der Prinz von Preußen bevorzugt, ein hoher Herr, den ich als deutsches Vorbild ehre. Ach,« brach er ab, »wie mich der Morgennebel, der über den Bäumen hängt, wenn ich hier im Herbst die Stätten der Kindheit durchwandere, an Kniephof erinnert! Waldschnepfenstrich, Dohlenstrich ... es geht nichts über das Landleben! Und, meine Freundinnen, wo wir heut wandeln, ist alles frisch und grün.Doch wer weiß, wann wir wieder herkommen und fern, sehr fern, den Klang der Abendglocken vernehmen! Andere werden kommen und träumen wie wir. Denn nichts vollendet sich auf Erden, und der Tod ist wie ein Gruß des Morgenlichts, denn wir haben geträumt.« Die Damen sahen ihn an und verstanden ihn nicht. Und dann verstanden sie ihn mit dem Elan des weiblichen Herzens.
    Am Abend gingen sie in den Konzertsaal Gungl und saßen im Freien und hörten Beethoven. Otto war ganz still, und beim Abschied sagte er trocken: »Grüßen Sie Predigers, den braven Sauer in Koglizow! Und wenn sein Junge, der Säuerling, herkommt, will ich ihm ein Mentor sein!« – –
    Als er nach Schönhausen zurückkehrte, empfand er in sich eine entnervte Stumpfheit. Er starrte die Zimmertür an, als gähne ihm diese als Sinnbild tödlicher Langweile entgegen, ein Abbild seines eigenen Innern. Kein Laut in den weiten, öden Räumen des Schlosses, Möbel und Geräte stumm wie sein Seelenleben. Fürchterliche Öde des Daseins! Göttlicher Byron, der dafür die Stimme fand! » My woe shall find a voice! « Mechanisch die sogenannte süße Gewohnheit des Daseins verrichten, wo nichts Großes, nichts Bedeutendes mir nahetritt! Am besten treibt man sich den ganzen Tag draußen in der Kneipe herum, kommt nachts zu Hause, um gleich auf

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