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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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verständnisvollen Blick zu Otto empor.
    Er gab ihr einen Kuß und schwieg. Dann sagte er ruhig: »Die Schauspieler sagen: Nach Neune ist alles vorbei. La commedia e finita. Nach dreißig Jahren, die mein robuster Korpus wohl noch aushält, wird mir wohl wurscht sein, ob ich meinen Kohl pflanze oder als Diplomatiker – »Federfuchser«, schimpfte der olle Blücher – mich mit Bagatellen herumschlug. Denn vor Gott ist das alles wurscht.«
    Johanna ging weg und gewann eine große Heiterkeit. Sie begriff, daß es für Ottochen gleichgültig sei, ob er im Taxispalais die Bundestagssitzungen beherrsche. Damit würde er keinen Zoll größer oder kleiner. Ihr Gatte aber saß mit tiefer Zornfalte vor dem Kamin. Denn er wußte, daß ihm eines nicht wurscht war, sein Werk und seine große Liebe.
    Vielleicht war sein Gottesglaube nicht der von Millionen Deutschen, dachtest du als Greis nach häßlicher Mammonsliebe! Mir ist viel vergeben, denn viel liebte ich Deutschland? vielleicht. Wer vermißt sich zu ermessen, was in geheimnisvollen Tiefen solcher Seele vorgeht! Von solchen, die Cromwell nicht kennen, wurde hier ein Vergleich gezogen, doch die Ähnlichkeit sitzt tiefer, als Oberflächliche ahnen. Denn alles auf Erden ist nur ein Gleichnis. Man mag sich auch das Urteil zutrauen, daß dieser Mensch der größte Feldherr und ein größerer Dichter als Goethe geworden wäre. Warum nicht? Alles Vergängliche und Unzulängliche wird zum Ereignis, ganz wie es den unerforschlichen Mächten gefällt. Cromwell, der Königsmörder, Bismarck, der Royalist, es sind die gleichen Menschen, nur ihrem besonderen Milieu angepaßt, sowie Cromwells Gnadenwahl und Friedrichs des Großen grimmige Selbstverantwortung (nicht »Atheismus«, so dumm war er nicht) auf gleichem Strauch gewachsen ...
    Johanna kam zurück und küßte ihren Faust. Das Ewigweibliche hebt uns hinan ... und das Unbeschreibliche wird immer getan, wo Gottes Geist über den Wassern schwebt.

»Ich bin aufs höchste indigniert, sagte der Regent.« Otto befand sich auf einem Diner bei Herrn v. Massow, königlicher Hausminister, und kam von einer Audienz beim Thronfolger. Es war im Januar des neuen Jahres, des neunten der fünfziger Jahre. »Höchstderselbe ist empört, daß man sein Ministerium als schlechtweg liberal brandmarke. Es sei ein Ministerium der Sammlung und Versöhnung.«
    »Aber Patow –« warf ein Tischgast ein. »Dieser Erzliberale, der als Oberpräsident das Mißfallen der –« er wollte schon sagen ›in Gott ruhenden‹, aber verbesserte sich – »vorübergehend der Regierung entäußerten Majestät in so hohem Grade erregte!«
    »Der sei auf Manteuffels Empfehlung hineingekommen.«
    »Und Auerswald? Weiß doch niemand, an wen der glaubt!«
    »Sei sein Freund seit vierzig Jahren, für den verbürge er sich.«
    »Dagegen Arnim-Boitzenburg –«
    »Der sei Vorstand der Fraktion Herrenhaus, Gaffron-Itzenplitz. Aber Seine Hoheit meinten, das Herrenhaus sei uns oktroyiert und könne abgeschafft werden!« Tiefe Stille. Einen stärkeren Beweis für die Selbständigkeit dieses überraschenden fürstlichen Staatsmanns konnte man nicht ausdenken. Otto begriff vollkommen: Der wahrhaft vaterlandsliebende Monarch wollte die Staatsautorität stabilisieren als rocher de bronce nach rechts wie nach links. Er war weder antikonservativ noch antiliberal.
    »Und Sie?« fragte ihn ein Freund. »Ich dachte immer, Sie gingen nach Petersburg.«
    »Bah, von meiner Versetzung oder Entlassung ist alles still.«
    »Wäre Ihnen dieser hohe Posten genehm?«
    Nein. Aber es zieht schlechtes Wetter herauf, und da mummt man sich gern in einen Bärenpelz ein. Kaviar und Elenjagd haben ihre Promessen.«
    »Sie hatten sich also damit vertraut gemacht? Es ist doch eine Rangerhöhung.«
    »Darauf pfeife ich aus bestimmten Gründen. Aber man fühlt sich enttäuscht, wenn man sich in eine – vielleicht unvermeidliche – Möglichkeit einlebte, und nachher wird nichts draus.«
    Nach einer Pause bemerkte jemand: »Das Mißtrauen des Auslandes gegen die Neue Ära ist nicht einstimmig, Österreich lobt uns immerfort.«
    »Das ist der coup de massue . Wenn mein Todfeind mich lobt, dann wehe mir! Übrigens hat der Köder einen Doppelhaken. Rechberg malt uns in traurigen Farben, seine Kollegen an den europäischen Höfen haben gewiß denselben Auftrag. Die Katze läßt das Mausen nicht. Freilich, Hübner in Paris wird sich die Pfote verbrennen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Doch Otto sprang eiligst auf

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