Bismarck 02
einiges abzubitten, weil ich früher seinen Charakter falsch beurteilte, ihn bloß für einen eiteln Hohlkopf hielt. Nein, er ist ehrlich und tapfer.«
»Damit sagen Sie sehr viel«, nickte der Prinz befriedigt. »Darauf gebe ich am meisten.«
»Aber er ist unbesonnen, schnell fertig mit dem Wort, ein rascher Verneiner, aber kein schaffender Arbeiter.«
»Ich gebe Ihnen das zu. Aber wo Staatsmänner finden, die in diese unruhige Zeit hineinpassen! Seien Sie sicher, lieber Bismarck, ich verstehe es als eine Distinguierung, Rangerhöhung, Steigen auf der amtlichen Leiter, wenn ich Sie nach Petersburg sende. Ich verspreche mir viel davon. Es ist mir lieb, daß Sie selber die Frage anschnitten. Es wäre mir erfreulich, Sie zufriedenzustellen. Gehen Sie mit Gott und meinen besten Wünschen! Wir werden die Alten bleiben.«
Der so gnädig Entlassene empfand mit Rührung die gegenseitige Anhänglichkeit, doch er merkte heraus, daß der Prinz froh war, einen peinlichen Graben übersprungen zu haben, daß etwas dabei sein Gewissen beschwere. Es lief doch wohl darauf hinaus, daß man ihn in Deutschland los sein wollte. Man warf ihn die Treppe hinauf, damit er in etwaige Händel am Bundestag nicht eingreifen könne, wo man sich von seiner allzu schneidigen Tatkraft nichts Gutes versprach. Nämlich eine energische Tat, die diese Schwächlinge und Streber der Neuen Ära ebenso scheuten wie die Manteuffel und Gerlach der Alten. Nur gegen den Regenten hatten sie Mut, den sie unehrerbietigerweise gleichsam als ihr Geschöpf betrachteten, beschattet von Krinoline und Fächer der hohen Patronesse, deren Huld sie sich zu Füßen warfen. Die Prinzessin begönnerte sogar Schwerin, dessen »große Vergangenheit« als Revolutionsminister sie wahrscheinlich an Mirabeau erinnerte – beide waren ja Grafen – und der sich unglaublich viel herausnahm, gestützt auf seine liberale Leibgarde. Er erpreßte Unterschriften und schickte sie zurück, wenn der zürnende Prinz sie unleserlich gab. Der sonst so ruhige, würdevolle Fürst ließ sich dazu fortreißen, die Feder zu zerbrechen und das unterschriebene Blatt zerknüllt von sich zu werfen. –
Als erster Gratulant stellte sich natürlich Graf Harry Arnim ein. »Sie Glücksmensch! Ja, mit solchen Konnexionen! Ich gehe morgen nach Kassel, ein netter kleiner Posten. Der Kurfürst von Hessen soll aber ein etwas schnurriger Herr sein.«
»Ja, den kenn' ich auch sehr gut«, brummte Otto. »Schnurrig möcht' ich ihn nicht gerade nennen, eher schaurig. Der Herr ist alt wie Methusalem, denn offenbar wurde er vor 1789 geboren. Er lebt und webt in der gesegneten Zopfzeit. Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen, übrigens führt er eine schlechte Tafel.«
»Das ist gottvoll, wie Sie sich überall auskennen! Sie werden bald in Petersburg mit den höchsten Herrschaften auf Du und Du stehen. O, ich sehe Sie steigen! Wenn Sie dann doch mal für einen bescheidenen, armen Teufel wie mich ein gutes Wort einlegten!«
»Keine falsche Bescheidenheit, Harry, das steht Ihnen nicht. Mein Wort darauf, ich würde Ihnen gern einen Ruck nach oben geben, sobald ich könnte.«
»Diese echte Freundschaft –«
»Durchaus nicht. In Geldsachen hört die Gemütlichkeit und in Staatssachen die Freundschaft auf. Aber Sie sind ein begabter Diplomat, und der Dienst muß endlich durch Talente verjüngt werden. Im übrigen wünschen Sie mir zu viel Glück, ich fasse es nicht so auf. Ich werde an der Newa im wörtlichsten Sinne kaltgestellt. Und ich wäre doch gern dabei, wenn es hitzig zugeht.«
»O, Sie meinen die Wolke im Westen?«
»Hm, ja. Und ich verziehe mich nach Osten.« – –
»Bismarck ist völlig verlottert«, warnte Ludwig Gerlach den Kreuzzeitungs-Wagener. »Jetzt verkehrt er intim mit dem v. Unruh berüchtigten Angedenkens.«
Wagener seufzte. »Ich spreche ihn ja manchmal, und er bleibt mir stets der alte Freund und Gönner. Liberal ist er nicht im Sinne der Hofclique, aber –!«
»Wer nicht für uns ist, ist wider uns!« schloß der fanatische Reaktionär. »Mein Bruder will auch nicht mehr viel von ihm wissen.« –
Herr v. Unruh, der frühere Kammerpräsident, der sich Otto durch menschlich gute Eigenschaften empfahl, stand tatsächlich mit dem früheren Feind jetzt auf freundschaftlichem Fuße. Eines Morgens ihn im Hotel Royal Unter den Linden aufsuchend, fand er ihn im Bett, die Kreuzzeitung lesend. Er warf sie verächtlich in eine Ecke. »Lieber Unruh, dies Blatt hat keinen Funken
Weitere Kostenlose Bücher