Bismarck 02
Streich seines lauernden Rivalen an der Seine. Aus der Konferenz wurde nichts, Rom blieb besetzt und Italien verärgert. Die Erbitterung der bösen Nachbarn wuchs. Baden befahl sofortige Arretierung eines jeden Fremden, den man zeichnend treffe, denn französische Offiziere in Zivil durchstreiften die Rheinlande. Ducrot, Gouverneur von Straßburg, inspizierte das badische Rheinufer. Die französische Spionage arbeitete so gut, daß im April vorigen Jahres ein Hauptmann Samuel einem Inkognitoreisenden auf Schritt und Tritt folgte, der eine strategische Spritztour längs der Lothringer Grenze machte, Saarbrücken, Saarlouis, das Moseltal besichtigend. Sein Name war Moltke. Und zu Anfang des neuen Jahres las der Premierminister eine Winterarbeit des Großen Generalstabes über Invasion Frankreichs. Einer Deputation Kieler Professoren antwortete der König schon früher, seine Armee werde den Fehdehandschuh aufnehmen, wenn man sie zwinge. Aber Otto sann darüber, ob der unselige Unheilstifter nicht selbst ein Gezwungener sei in Banden seiner wetterwendischen Nation, die ihm ihre Gunst entzog und die er nur noch mit Gewaltmitteln an sich fesseln konnte, mit einer blendenden Gloire. Eigentlich lag ihm ein so frohes Säbelrasseln nicht. Ein geborener Verschwörer, konspirierte er sein Leben lang, mit dem einen Minister gegen den anderen, mit Deputierten gegen die Minister, mit dem einen Staate gegen den anderen. Es gehörte zu seiner sanften katzenpfotigen Hartnäckigkeit, daß er jeden reden ließ, jedem guten Willen versprach. Daß er auch jetzt konspiriere, ahnte der Preuße. Wohl kannte er nicht die Reise des Generals Lebrun nach Wien, nicht den gemeinsamen Kriegsplan des Erzherzogs Albrecht. Doch daß Napoleon sich mit Beust verschwöre, setzte er als sicher voraus. Dagegen gab es nur eins: Rückendeckung durch Rußland, das schon langsam seine Fühler ausstreckte, um den Schwarze Meer-Vertrag zu zerreißen.
Als die Neujahrsglocken das Jahr 1870 einläuteten, wetterleuchtete es überall, und doch mag ein Gewitter sich ja verziehen. Ein großes Friedenswerk ward vollzogen, Vertrag mit Italien über die Gotthardbahn, die beide Länder unmittelbar verbinden sollte. Dies Maigeschenk an ganz Europa fachte das Mißfallen der Großen Nation erst recht an wie ein Eingriff in die moralische Weltordnung, da nur sie, die besagte vorzugsweise große Nation, der Zivilisation voranmarschiert und Kulturwerke von armseligen Deutschen als unerlaubten Wettbewerb eines barbarischen Hunnenvolkes verpönt. Doch die Sauerkrautfresser reagierten nicht auf die pöbelhaften Schimpfworte der so fein zivilisierten Pariser Presse, deren Huronengeheul den Kriegsruf von Wilden beschämt, damals und immerdar die gleichen unanständigen, ungebildeten und einfältigen Narren, deren »klare« Seichtigkeit und »elegante« Schweinerei der deutsche Michel auch immer wieder als dernier cri verehren wird.
»Noch nie war der Frieden so gesichert wie heute,« las Otto im Moniteur, so sprach Olivier am 30. Juni. Mir soll's recht sein! Der König bleibt in Ems, Moltke pflegt Rosen auf seinem Gute, und ich will mich ausschlafen unter den Eichen von Varzin.
Er verdiente sich's redlich, denn noch im Juni hatte er ausnahmsweise den König zu seiner jährlichen Badekur begleitet, nicht um Emser Sprudel zu trinken, sondern selber einen kräftigen Heiltrunk zu brauen. Denn siehe da, wer erschien dort plötzlich? Der Zar und der russische Gesandte Oubril. Die alte Freundschaft der zwei so nahe verwandten Herrscher gab dem Wiedersehen einen sehr herzlichen Anstrich. Natürlich wollten sie nur Erinnerungen austauschen, nicht etwa eine politische Kur gebrauchen. Diese schlug aber Otto gut an, wie es schien. Auf Schritt und Tritt rannte ihm das internationale Publikum nach.
»Es ist respektwidrig, wie die Leute sich herandrängen.« Der Zar machte eine hochmütig verächtliche Handbewegung, als er mit dem König auf einer Bank in den Anlagen saß.
»Erlösung durch Ablösung!« lachte der prächtige alte Herr. »Da kommt Bismarck, der ist berühmter als wir!«
Das Ende der kurzen Kur bestand in kräftigem Händedruck des Zaren zum Abschied vom Kanzler. »Mein kaiserliches Wort darauf, der Krieg bleibt isoliert, wir werden Österreich verwarnen, wenn Frankreich Sie angreift. Und gewinnt es die Oberhand, so interveniere ich.«
Er glaubt, daß wir zum Nutzen Rußlands uns gegenseitig schwächen oder wir unterliegen werden. Glaubte er auch vor Königgrätz. Ein gutes
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