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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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er im Hotel d'Angleterre in Berlin lag, schüttelten die Ärzte den Kopf. Die Jodbehandlung half nichts, man gab ihn als hoffnungslos auf.
    »O du mein Einziger! Guter! Ottochen, was haben sie mit dir gemacht!« Johanna, eiligst aus Reinfeld herberufen, warf sich schluchzend über ihn, dann nahm sie sich fest zusammen und warf, ohne ein Wort zu sagen, alle Jodflaschen zum Fenster hinaus. »Jetzt werde ich dich kurieren.« Sie hatte stets als heilkundig gegolten, wie manche adlige Gutsherrin in ihrem ländlichen Wirkungskreis, und sei es Suggestion der Liebe, sei es wirkliche Naturheilkraft, sein Befinden besserte sich. »Jetzt mußt du mir nach Wiesbaden und Nauheim.« Doch auch dort genas er nicht, erst allmählich kehrte die Gesundheit wieder unter medizinischer Aufsicht eines Marburger Professors Beneke. Die Schwäche im Beine blieb, und zeitweilige Schmerzen plagten ihn noch lange. Die Geschäfte drangen wieder ein, er lächelte trübselig. »Just am 1. April, meinem Geburtstag, trat ich mein Amt in Petersburg an. War das ein böses Omen und verhängnisvoll? Ob ich dort noch mal den 1. April verbringe? Alle guten Freunde und Bundesgenossen arbeiten daran, mich von dort wegzuhaben, denn selbst in der Ferne bin ich ihnen nicht artig genug. Deinen Geistes hab' ich einen Hauch verspürt ..., am liebsten hätten sie mich gefesselt, wie Bertram de Born. Lahm bin ich schon genug, muß aber doch dem Zaren bis Warschau entgegenfahren und ihn nach Breslau geleiten. Denn aus den Augen, aus dem Sinn, les absents ont toujouirs tort , bei mir muß es heißen: toujours en vedette !«
    »Der Arzt verbietet dir Anstrengung und Arbeit. Dein Bein wird immer wieder beim Gehen dick, die Jodvergiftung hast du noch in den Nerven.«
    »Bah, die Stränge halten noch aus. Eine Vene ist zerstört, da muß man eben ohne sie auskommen. Vor sechs Wochen schien mir das Weiterleben nicht wünschenswert, und jetzt beglücken mich die kondolierenden Gratulanten mit der erfreulichen Post, daß sie mein Weiterleben nicht erwarteten. Wie taktvoll! Herrlich war Harry Arnim, der mit Leichenbittermiene den düsteren Unkenruf erschallen ließ: Alle preußischen Gesandten sterben oder werden verrückt! Ich glaubte ihm letzteres, was seine werte Person betrifft, und erinnerte ihn daran, daß wir alle sterblich sind, ob wir Gesandte spielen oder nicht. Na, denn man los! Eingeschneit im Bärenpelz einen Winterschlaf tun, dafür ist Petersburg gut. Ich schnalle den Kothurn von meinem kranken Bein, da kann man nicht auf Stelzen gehen, und werde schnarchen, daß man mich bis Archangel hört.«
    Johanna schwor dem Quaksalber Walz Tod und Verderben.
    »Das laß man gut sein. Dessen Hintermänner findet man nie. Der Kerl, Sohn des Hofkonditors in Heidelberg, machte nie sein Examen. Dieser brave Heilgehilfe rechnete nicht mit dem Frieden von Villafranca, der hat mir das Blut gereinigt. Auf der Seereise nach Stettin war der Chirurg Pirogow mit an Bord, und der wollte mir das Bein hoch überm Knie amputieren. Diese Schlächtermeister möchten immer nur operieren. Wenn doch in der Politik auch solche Chirurgen hantieren wollten! Aber dort scheut man sich schon, nur eine Zehe oder den kleinen Finger abzusägen, mag die Blutvergiftung noch so kennbar um sich greifen. Und hinterher hilft doch nur ein Kaiserschnitt bei unserer deutschen Schwergeburt.«
    »Du siehst aber, es geht auch ohne Operation.«
    »Ja, Fünkchen lebt noch.«
    Im September in Baden-Baden ging es ihm noch wohl. Er feierte dort mit seinem Frankfurter Becker ein fröhliches Wiedersehen, und der Arzt Struck versicherte ihm, er könne ganz ohne Sorgen sein. Er traf auch die schöne Obolenski und trug ihr Grüße an ihren greisen Vetter, den Archäologen in Moskau, auf, dessen überschwengliche russische Gastfreundschaft den Deutschen ins Herz schloß und in ihm hohe, wissenschaftliche Altertumskenntnisse entdeckt haben wollte. Mit dem Admiral Fürst Menschikow, seltsamerweise nebst seinem Mitadmiral Großfürst Konstantin dem einzigen eifrigen und guten Reiter der Petersburger Aristokratie, ritt er aus und befand sich gut dabei. Diese Gegend mit der damaligen Weltstadt Frankfurt bildete nun mal das große Wirtshaus an der Landstraße Paris-Petersburg, und es hatte für ihn etwas Anheimelndes, wieder in der dortigen Internationale der blaublütigen Welt sich umzuschauen.
    »Ach, das ist auch Flügelteufel!« brummte Gustav v. Alvensleben, der als Adjutant des Thronfolgers zur Stelle war. Edwin Manteuffel

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