Bismarck 03
Vorwärts, desto leichter schwächten sich die Flanken. Es war ein Glück für Castelnau, daß Prinz Rupprecht nicht schon am 21. auf der Nordflanke starke Kräfte versammeln konnte, sonst wäre der Rückzug Fochs viel schlimmer ausgefallen. Die Franzosen stritten tapfer, wie sich bei ihnen von selbst versteht, doch will man bemerkt haben, daß ihr Fußvolk sich sehr von Beihilfe der Artillerie abhängig zeigte. Ohne sie leerten sich die Schützengräben oft rasch, weil die Insassen es nicht gern auf Nahkampf ankommen ließen. Bayrische Rauflust bevorzugte das Handgemenge, als dessen Vorbote schon wilde Juchzer ein Grauen einflößten. Solcher Schneid flackerte nicht als verrauchendes Strohfeuer, sondern brannte als stetige Glut, deren Flamme vaterländischer Begeisterung nie verlosch. Fern sei es uns, die Taten des bayrischen Löwen zu bemängeln, der überall gewaltig seine Tatze eingrub. Nur trieb eben die Fama auch hier ihr Spiel, indem sie nur die Bayern gelten ließ, ohne die überragende Leistung des 21. K. zu beachten, das sich ja auch später im Osten erstrangig erwies. Der erstaunliche Verlust der bayrischen Artillerie (1400), größer als derjenige der Gesamtartillerie des Kronprinzen, zeigt doch wohl an, daß die französische stellenweise überwältigend wirkte. Sehr verrechnete man sich bei Nancy. Verschanzte Plätze sind nur gefährlich als Anlehnung der Kampffront. So half es später nichts, Fort Troyon a. d. Maas zu zerschießen, so lange die Umgegend vom Feind behauptet blieb. Bei Nancy ziehen sich beidseitig Höhen hin, im Rücken desgleichen südwärts überragend, nordöstlich der festungsmäßig ausgebaute Grand Mont, verstärkt mit zwei neuen Redouten, ein Frühjahrsgeschenk politischer Drahtzieher an den Kriegsgott. Daß Castelnau in diese furchtbare Schanzstellung zurückrannte, entsprach nur seiner Zerschlagenheit, nicht absichtlicher Falle. Als die schweren Kaliber der Panzertürme spielten, spürte man es auf 15 km Umkreis, gleichwohl traute Castelnau nicht bloßer Defensive, Einschnürung auf der Toulseite verbot passives Stillhalten, so stellte er sich in den Außenräumen vor und zwischen den Befestigungen und begann Ausfälle. Dies allein bedeutet sein sog. Flankenstoß. Nicht dort, nicht an Nancy–Toul erlahmte Rupprechts Vorgehen, sondern nach Süden zu in offener Feldschlacht längs der Mortagne. Wer sonst taktisch den Kürzeren zog, darüber streiten die Weisen nur, wenn sie französisch reden, denn die Tatsachen sprechen. Doch die 6. A. hatte jetzt eine Länge von 100 km, nachdem sie 60 km Durchmesser nach der Tiefe erreichte von Dieuze bis Moyen, ihr Keil fiel weit südlich unter Verdünnung der Rechten. Wohl lief Castelnau Gefahr, bei Charmes nach Norden abgesperrt zu werden, während Dubail nach Südwesten aufgerollt. Doch in der Vogesenlandschaft konnte Heeringen den Raumgewinn Rupprechts nicht in gleicher Höhe mitmachen und Offensive von solcher Tiefe war vielleicht etwas unbedacht und verfrüht, so lange das franz. 16. K. und 74. R. D. ein Vorrücken über die Mortagne erschwerten. Umfassung von Epinal war vorerst ausgeschlossen, doppelseitige Umfassung dort und bei Toul nach alt-moltkescher Schablone wäre nur bei numerischer Überlegenheit angängig gewesen; hier traf das Gegenteil zu. Selbst wenn es im September gelungen wäre, bei Charmes durchzubrechen, was im Bereich des Möglichen lag; wenn die Schlacht mit allen Kräften fortgesetzt wurde, wäre es richtiger gewesen, nicht diesem Traumbild nachzurennen, das insofern bald verflog, als der nötige rasche Einbruch sich nicht vollzog wegen viel zu spätem Vorwärtskommen Xylanders. Der wahrscheinlichste Erfolg winkte vielmehr im Norden, Zerschneiden einer Lebensader Castelnaus, nämlich der Wasserscheide Maas, die den Verbindungskanal zwischen Toul und Verdun bildete. Dessen spätere Verschüttung bei Mihiel isolierte beide Festungssysteme. Hätte Rupprecht von Anfang an solchen Druck geübt und statt eines südwestlichen Linksmarsches lieber einen nordwestlichen Rechtsmarsch ins Auge gefaßt, so wäre ein solides praktisches Ergebnis von großer strategischer Tragweite herausgekommen. Andererseits führte Heeringen zwar seinen Angriff vorzüglich aus, doch ließ sich voraussehen, daß Wegnahme von St. Dié strategisch nur ein Scheinerfolg sei. Es war mit Artillerie zu karg bestellt, während Dubail über das große Geschützreservoir Epinal verfügte. Nur fünf Ers. A. Abteilungen intonierten ins Vogesental, als
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