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Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Grey kein Hehl daraus, daß er für die Entente eingreifen werde, wie er dem französischen Botschafter »sehr deutlich« sagte, am 30. »hat das Auslaufen der englischen Flotte Rußlands Kriegsentschluß mehr als bekräftigt« (Reuter-Telegramm). Alle von Grey angebotenen Friedensformeln waren eitel Blendwerk, die Entscheidung längst gefallen durch Rußlands Vollmobilisierung, die man in Paris und London rechtzeitig kannte. Greys feierlich zugesagte Bemühung bezweckte stets nur Zeitgewinn für Ententerüstung, aus der lauen nachlässigen Art erriet man in Petersburg sofort, wie wenig ernst es ihm damit war; er trägt die Hauptverantwortung für das unsägliche Unheil. Daß er schon früh Frankreichs Küstendeckung zusagte, es aber öffentlich verleugnete, war schon schreiender Neutralitätsbruch. Der russische Botschafter Benkendorf (Freund und Vetter Lichnowskys) rühmt Greys Vorsicht, weil er vom Parlament Schwierigkeiten fürchtete, nur deshalb legte er sich etwas Zügel an. Da er Deutschlands strategische Nötigung ebenso kannte wie den eigenen Ententeplan, durch Belgien ins deutsche Industriegebiet einzufallen und es systematisch zu zerstören, so lauerte er nur auf den von langer Hand vorbereiteten Vorwand. Man geht über Verhandlung König Georges mit Prinz Heinrich als »Mißverständnis« weg, doch der überaus freundliche Wortlaut der Depesche, worin der eifrig zum Krieg drängende König seine Friedensbetriebsamkeit bestätigt, liegt vor. Kommentar überflüssig.
    Frühzeitiger Kriegswunsch des deutschen Generalstabs ist aus den Akten unersichtlich, nur Eisners Böswilligkeit deutete den Bericht des bayerischen Geschäftsträgers vom 18. Juli so. Durch diesen erfährt man freilich unterm 31. den »besten Mut« der Militärs, schon vor Monaten habe Moltke den Zeitpunkt für denkbar günstig zu kriegerischer Abrechnung erklärt. Er legte Nachdruck auf schwere Haubitzen, besseres Gewehr sowie unfertigen Zustand der französischen Armee, ohne zu bedenken, daß nicht Taktik und Bewaffnung, sondern Strategie und moralischer Faktor entscheiden. Letzterer war in Deutschland allerdings sehr stark als Verteidigungskampf für staatliche Existenz, doch zehnmal günstiger wäre Losschlagen 1912 gewesen, ehe Rußlands Riesenrüstung anhob, damals waren Türkei und Bulgarien noch nicht so geschwächt, Rumänien vielleicht noch dreibundtreu, Italiens Neutralität wohl noch zu haben. Ganz richtig wollte Erzherzog Ferdinand damals Präventivkrieg; hätte Wilhelm dies gebilligt, ließ sich des greisen Franz Josef Widerstreben überwinden. Schon damals war die Entente zum Kampf entschlossen, wie Iswolsky 1913 offen aussprach, sie hätte sich unbedacht hineingestürzt, obschon ihre Chancen weit geringer als 1914 waren. Diesen Augenblick des Balkanaufruhrs seit 1911 nicht benutzt zu haben, bleibt schweres Verschulden deutscher Politik; sie beugte sich dem Spießergeschrei, daß der Balkan uns so wenig angehe wie Marrokko. Jedenfalls beweist dies aber wie auch frühere Versäumnisse, daß der Gedanke eines Präventivkriegs deutschen Machthabern fernlag. Wenn Moltke »schon vor Monaten« sich kriegsfreudig äußerte, so war dies akademisch gemeint, ohne irgendwelchen Druck auf die Regierung zu üben, zumal der Kaiser und Bethmann auf Frieden förmlich versessen schienen. Von Berliner Kriegspartei darf nicht geredet werden; außer dem richtigen Instinkt des Kronprinzen und der mißtrauischen Quängelei bei der Marokkokrise spielte niemand mit der Kriegsfrage. Man geht hausieren damit, Moltke habe schon am 26. Juli das Ultimatum an Belgien aufgesetzt, das war aber pflichtgemäße hypothetische Maßregel, um im Ernstfall einer Verschleppung vorzubeugen. Allerdings beweist dies andererseits, daß man sich über Möglichkeit des Weltkrieges nicht täuschte, sich nicht, wie geglaubt wird, überrumpeln ließ. Schon früh machte man sich keine Illusion über England und Italien, dessen Abfall man eifrig zu verhindern strebte durch vergebliche Ermahnung, Österreich möge Kompensationen gewähren, wie in Artikel 7 des Dreibundvertrags vorgesehen. Über Wiens Dummpfiffigkeit muß man hier ebenso den Stab brechen wie über die grobe Hintergehung öffentlichen Verzichts auf territoriale Erwerbung und heimliche Absicht völliger Aufteilung Serbiens. Wir können zwar Italiens vorsätzlichen Vertragsbruch nicht entschuldigen, schon seit dem Tripolisabenteuer verhieß sein Techtelmechtel mit der Entente, was von ihm zu erwarten war. Es

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