Bismarck 04
belustigt, wie seine Freundschaft für Serbien sich nachher selbst eine Zuchtrute band, indem die immer zweihändige Entente ihm ein starkes Jugoslavien vorbaute. Doch die italienische Regierung hätte ohnehin nicht anders handeln können, da Presse, Freimaurer, Republikaner jeden Krieg gegen die angebliche »lateinische Schwester« unmöglich machten. Daß die Französelei sich heut bekehren mußte, war die bittere Frucht einer Phrasenberauschung, hinter der kurzsichtige Realpolitik sich versteckte. Aber es muß betont werden, daß Italien wenigstens neutral geblieben wäre, wenn Österreich rechtzeitig den Trentin anbot. Erst als es zu spät war, kam es widerwillig mit Zugeständnissen. Dünkel bei solcher Schwäche, Schlamperei und blinde Zuversicht, man könne durch Deutschlands Deckung wieder mal fortwursteln, im Notfall Deutschland opfern, gruben sich selbst den Untergang. Freilich mit der schwarzgelben Herzerquickung, daß auch diesmal wie seit 600 Jahren Habsburg Deutschland zum Prügeljungen machte, obschon es sich diesmal nicht auf Michelskosten salvieren konnte. Indessen nahm man das immerhin schuldige Österreich in den Völkerbund auf, Deutschland blieb das böse Karnikel, dem alle Schuld aufgebürdet werden mußte, Fälscherkunst bringt das Unmögliche fertig. Den von Kautsky »Verschwörung« geschimpften Potsdamer Kron- und Kriegsrat würden wir als Nachahmung der schon dreijährigen Ententebesprechung billigen. Leider handelte es sich aber nur um unzureichende Vorsichtsmaßregeln. Kautsky schwärmt auch von ungebührlicher Garantieforderung an Frankreich, wie ja Poincaré später verklagte, »man forderte von uns«; man hat aber gar nichts gefordert, da Frankreich von vornherein jede Neutralität ablehnte, also Schoen die gewünschte Garantievorlage in der Tasche behielt. Woher Poincaré sie kannte? Wie die verstümmelte Kriegserklärungsdepesche, nämlich durch völkerrechtswidriges Auffangen und Dechiffrieren. Daß unser Generalstab am 29. mobilisieren wollte, Bethmann-auf-dem-Holzweg es mit der Angst bekam und die Rechtzeitigkeit hintertrieb, nennt Kautsky Abdankung der Zivilregierung! Er ahnt nicht, wie weit in Frankreich die Befugnisse des Militarismus gingen. Unterlassung pflichtmäßiger Fürsorge durch Einmengung Bethmanns verpfuschte so den Feldzugsbeginn, daß wir statt am 10. erst am 20. operationsfähig waren. Diese unglaublich verspätete Kriegsvorbereitung entsprang dem Bestreben, dem Feind die Initiative zu überlassen. Welch schwache Weltfremdheit! Denn ob wir zuerst oder gar nicht mobilisierten, kam auf eins hinaus: Die Raffiniertheit hätte uns doch wieder vor der unmündigen Menge ins Unrecht gesetzt. In einer Welt des Scheins und Unrechts wirkt immer nur die Gewalt der Tatsachen. Hätten wir gleich nach Rußlands Teilmobilisierung vollmobilisiert, so wäre der Krieg entweder unterblieben – denn trotz aller Redereien des Oberst Repington über Verrostung unseres Heeres hatte man heimlich Bange davor als einer unbekannten Größe – oder mit ungleich besseren Chancen eröffnet. Die nachhinkenden Kriegserklärungen waren auch technisch ungeschickt, denn da man im Osten defensiv bleiben wollte, lag in unserem Interesse, dort Zeit zu gewinnen; gingen aber die Ententegewehre von selber los, so konnte man sich Formalitäten sparen, die später von der Weltlüge als Schuldbeweise ausgelegt wurden. Sicher hätte man uns den Krieg erklärt, um unserer Mobilmachung zuvorzukommen, oder ohne weiteres die Feindseligkeiten begonnen. Tatsächlich gab es schon genug von Deimling gemeldete Grenzverletzungen in den Reichslanden, und am 1. August früh fielen russische Schwadronen vor unserer Kriegserklärung in Ostpreußen ein, die Spatzen auf den Petersburger und Pariser Dächern pfiffen Krieg bis aufs Messer. So lag auch das formale Recht ganz auf deutscher Seite.
Gesetzt den Fall, 1914 wäre der Krieg verschoben worden, was gewannen wir damit? Nur daß die Ententeausrüstung weiter ausreifte. Alle scheinbaren Zögerungen der Ententepolitik in der ersten Phase bis 20. Juli, auf die sich heut die schon seit 1912 einigen Verschwörer berufen, rechneten damit, daß der Augenblick nicht so günstig gewählt sei wie etwa 1917, wo Rußland seine strategischen Bahnen ausgebaut hätte. Von Friedenswillen war dabei so wenig vorhanden, daß man sich dennoch zum Krieg entschloß, weil die serbische Gelegenheit vielleicht nie wieder kam, deutsche Kriegssucht vorzuspiegeln und dem keineswegs
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