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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Bedürfnis nach Spiel und Bewegung trat rasch in den Hintergrund, als etwas Urtümlicheres sich zu Wort meldete. Die kleinen Bisse und das Knurren wurden rauher. Ich zappelte mich aus seinem Griff und wollte schon losrennen zu einer letzten Hetzjagd, bevor wir uns rasch zurückwandelten und …
    Ein Geruch trieb an mir vorbei, und ich erstarrte. Clays Zähne schlossen sich um meinen Unterkiefer, als er meine Aufmerksamkeit zu erregen versuchte. Ich schüttelte ihn ab und stand auf. Er versuchte noch einmal, mich zu packen, doch ich knurrte, trat zur Seite und hob die Nase, um ihm meine Entdeckung mitzuteilen; so wenig mir die Unterbrechung auch passen mochte, was ich da roch, verlangte meine Aufmerksamkeit.
    Das ferne Murmeln einer Stimme brachte auch ihn auf die Beine, und er drehte die Nase in den Wind. Sein Geruchssinn war weniger gut als meiner, aber einen Moment später hatte auch er es aufgefangen. Seine einzige Reaktion war ein Grunzen tief in der Brust, das wölfische Äquivalent eines milde interessierten »Hm«. Als ich mich in die Richtung in Bewegung setzte, aus der das Geräusch kam, fing er mein Hinterbein mit den Kiefern ab. Nur ein leichter Ruck, so, als hätte er nach meinem Arm gegriffen.
    Ich sah mich zu ihm um. Seine Ohren waren unten, der Ausdruck unsicher, geradezu vorsichtig. Normalerweise ist es Clay, der vorstürmt, und ich halte mich zurück, aber dies war eine Situation, in der ich die Wagemutigere war.
    Ich brummte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und schüttelte dann langsam den Kopf. Ich würde vorsichtig sein, aber ich würde mir die Sache ansehen. Er schnaubte; seine Lefzen vibrierten, der Nebel seines Atems hing in der Luft. Schön, aber glücklich war er nicht damit.
    Ich setzte mich in einen langsamen Trab, Clay auf den Fersen. Die Sonne stieg inzwischen langsam über die Berge; das Tal war noch grau und düster, aber einzelne Schneeflecken glitzerten dort, wo das Sonnenlicht die dichten Bäume durchdrang. Es war eine seltsam gespenstische Tageszeit, zu der die Schatten mit dem Licht spielten. Mehr als einmal glaubte ich etwas zu sehen und wurde langsamer, nur um in einen leeren Wald hinauszustarren.
    Wir waren eine halbe Meile gelaufen, bevor sich das ferne Murmeln als drei verschiedene Männerstimmen herausstellte, und selbst dann konnte ich noch nicht verstehen, was sie sagten. Dafür würde ich mich konzentrieren müssen, und vorläufig war es mir vor allem wichtig, näher heranzukommen.
    Als die Stimmen laut genug waren, dass ich ohne große Anstrengung lauschen konnte, kniff Clay mich in die Fersen, um mir mitzuteilen, dass wir schon zu nah bei ihnen waren. Ich hätte gefahrlos noch fünfzehn Meter weiterlaufen können, aber ich blieb stehen, bevor das nervöse Kneifen zu besorgten Bissen wurde.
    Ich konnte die Männer nicht ausmachen, aber ihre Stimmen kamen aus der Richtung eines helleren Flecks weiter vorn; wahrscheinlich war es der Waldrand. Ich schlug einen Bogen ostwärts, bis ich durch eine Lücke zwischen den Bäumen einen zugefrorenen See sehen konnte. Ich lief weiter, wobei ich den Bogen groß genug hielt, dass Clays Proteste nicht über ein stetiges Murren hinausgingen.
    Als ich mich dem Waldrand näherte, kauerte ich mich dicht auf den Boden und glitt auf dem Bauch über den Schnee. Clay versuchte mir zu folgen, weil er in meiner Nähe bleiben wollte, aber ich schnaufte und schüttelte den Kopf. Das Murren wurde eine Spur lauter, aber er wusste, dass ich recht hatte. Unser Pelz entspricht unserer menschlichen Haarfarbe, und gegen einen verschneiten Hintergrund fällt sein Gold sehr viel mehr auf als mein Silberblond.
    Ich streckte die Nase über die Waldkante hinaus ins Freie und holte tief Atem. Vier Männer – drei stehend, einer am Boden. Es war nicht der Geruch, der mir ihre genaue Position verriet, sondern ihre Stimmen. Bei den dreien, die auf den Beinen waren, gingen die Stimmen über meinen Kopf hinweg. Der Geruch des vierten verriet mir, wo genau er sich befand. Es war dieser Geruch, den ich vorhin am Bach aufgefangen hatte – der Gestank von verwesendem Fleisch.
    Er war nicht überwältigend stark, aber er hätte mir eigentlich schon auffallen sollen, als wir herumgealbert hatten. Und so nahm ich an, dass es kein Zufall war, dass ich Stimmen und Geruch gleichzeitig bemerkt hatte. Die Leiche musste unter einer Schneedecke gelegen haben und gerade erst gefunden und freigelegt worden sein.
    Ich schob mich noch ein paar Zentimeter weiter nach vorn.

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