Biss sagt mehr als tausend Worte
gelegt.
Die Wände des Ladens bestanden vom Boden bis zur Decke aus kleinen dunklen Holzschubladen mit weißen Karteikärtchen, auf denen chinesische Schriftzeichen zu erkennen waren. Der alte Mann stand hinter Glasbehältern, in denen sich alle möglichen getrockneten Pflanzen und tierische Körperteile befanden, von ganzen Seepferdchen und winzigen Vögeln bis zu Haiflossen, Skorpionschwänzen und merkwürdig spitzen Dingern, die aussahen, als kämen sie direkt von einem fremden Planeten.
»Was ist das?«, fragte Drew Troy Lee unter einem Schleier von strähnig blondem Haar. Er zeigte auf ein verschrumpeltes schwarzes Ding.
Troy Lee sagte etwas auf Kantonesisch zur Oma, die etwas
zum Ladenbesitzer sagte, der wiederum irgendwas zurückbellte.
»Bärenpenis«, sagte Troy Lee.
»Sollten wir was davon bunkern?«, fragte Drew.
»Wozu?«, fragte Troy.
»Für den Notfall«, sagte Drew.
»Klar, okay«, sagte Troy Lee. Dann sagte er zur Oma was auf Kantonesisch. Es kam zu einem Wortwechsel mit dem Ladenbesitzer, woraufhin Troy sagte: »Wie viel willst du? Das Zeug kostet fünfzig Dollar das Gramm.«
»Holla«, sagte Barry, »das ist aber teuer.«
»Er meint, es ist der beste getrocknete Bärenpenis, den man kriegen kann«, sagte Troy Lee.
»Okay«, sagte Drew. »Ein Gramm.«
Troy reichte die Bestellung über Oma an den Ladenbesitzer weiter. Der schnippelte ein Stück vom Bärenpenis ab, wog es und gab es zu dem Kräuterhaufen auf dem Blatt Papier, das er für Drew auf dem Tresen ausgebreitet hatte. Omas Papier war erheblich größer, und der Ladenbesitzer war eine halbe Stunde lang durch sein Geschäft gelaufen, um Zutaten zu sammeln. Einmal, als der alte Mann im hintersten Winkel des Ladens ganz oben auf der Leiter stand, waren die Barbaren über den Tresen gesprungen und hatten ihre Arme zu einem menschlichen Rettungsnetz geflochten, was den Ladenbesitzer allerdings dermaßen verschreckte, dass er beinah einen Herzanfall bekam und Oma ihnen eine kantonesische Standpauke hielt, auf die sie alle wie junge Hunde reagierten, indem sie ihr uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmeten und die Köpfe neigten, als hätten sie eine Ahnung, wovon, zum Teufel, die alte Frau da redete.
In letzter Zeit hatten die Barbaren eine wahre Schwäche dafür entwickelt, anderen das Leben zu retten. Junge Männer in ihrem Alter hielten sich meist für unsterblich, oder zumindest ahnten sie nichts von ihrer Sterblichkeit, doch seit sie von einer blauen Vampirnutte ermordet, dann selbst als Vampire wiederauferstanden und schließlich durch Fu Dogs genetische Alchemie wieder ins normale Leben zurückgeholt worden waren, hatten sie so ein Gefühl, das sie nur als jesusig beschreiben konnten.
»Mir ist total jesusig zumute«, sagte Jeff, der lange Sportler.
»Mir ist immer jesusig zumute«, sagte Clint, was stimmte.
»Yeah, total jesusig, Mädels! Lasst uns ein paar Luschen retten!«, hatte Lash gerufen, was allen irgendwie ein bisschen peinlich war, da sie in dem Moment gerade bei Starbucks gesessen hatten und sich über den Angriff der Katzenwolke und die Informationen unterhielten, die sie mit den beiden Bullen von der Mordkommission ausgetauscht hatten. »Wir werden gebraucht«, fügte Lash leise hinzu, verkroch sich in seinen Kapuzenpulli und setzte seine Sonnenbrille auf.
Jetzt sahen sie zu, wie der alte Ladenbesitzer Oma Lees Kräuterbündel zusammenfaltete und das Papier so fest wie einen Spliff einrollte. Dann drehte er das Päckchen um und malte mit einem Zimmermannsbleistift chinesische Schriftzeichen auf die Rückseite.
»Was steht da?«, fragte Barry Troy Lee.
»Da steht: ›Vampirkatzenkraut‹.«
»Ohne Scheiß?«
»Jep. Und haufenweise Warnungen wegen der Nebenwirkungen.«
Eine Stunde später saßen sie um den Küchentisch der Familie Lee und warteten darauf, dass das Wasser in dem großen Zwanzig-Liter-Suppentopf auf dem Herd endlich loskochte.
Oma Lee stemmte sich von ihrem Stuhl hoch und wankte mit ihrem Kräuterpäckchen zum Herd hinüber. Troy Lee gesellte sich dazu, half ihr, das Päckchen auszuwickeln, und hielt das Papier vom Brenner weg, während sie Kräuter und tierische Zutaten ins brodelnde Wasser warf. Stinkende, magische Dämpfe blubberten aus dem Kessel auf wie Blähungen eines Drachen, der sich ausschließlich von Dämonen ernährte.
»Ob das wirklich wirkt, Oma?«, fragte Troy Lee auf Kantonesisch.
»O ja. Wir haben es verwendet, als ich noch ein kleines Mädchen in China war und unsere Stadt
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