BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL
hier gewesen waren.
Ich sah Diego an und machte eine leichte Kopfbewegung in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Seine Augen wurden schmal und er hob einen Finger. Na, großartig, er wollte noch bleiben. Ich verdrehte die Augen, obwohl ich solche Angst hatte, dass es mich überraschte, überhaupt zu Sarkasmus in der Lage zu sein.
Wir sahen beide wieder zum Haus hinüber. Die Gestalten in den Umhängen waren schweigend eingetreten, und mir wurde bewusst, dass weder
sie
noch Riley gesprochen hatten, seit wir die Besucher erblickt hatten. Sie mussten etwas gehört oder auf irgendeine andere Art gewusst haben, dass sie in Gefahr schwebten.
»Gebt euch keine Mühe«, befahl eine sehr klare, tonlose Stimme ruhig. Sie war nicht so hoch wie die unserer Schöpferin, klang in meinen Ohren aber trotzdem mädchenhaft. »Ich glaube, ihr wisst, wer wir sind, also müsstet ihr auch wissen, dass es keinen Zweck hat, zu versuchen uns zu hintergehen. Oder sich vor uns zu verstecken. Oder gegen uns zu kämpfen. Oder wegzurennen.«
Ein tiefes, männliches Lachen, das nicht Riley gehörte, hallte bedrohlich durch das Haus.
»Ganz ruhig«, sagte die erste, monotone Stimme - das Mädchen. Ihre Stimme hatte den unverwechselbaren Klang, der mich sicher sein ließ, dass sie ein Vampir war und kein Geist oder irgendein anderer Albtraum. »Wir sind nicht hergekommen, um euch zu vernichten. Noch nicht.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen und dann hörte man, kaum wahrnehmbar, wie jemand seine Position veränderte.
»Wenn ihr nicht hier seid, um uns zu töten, warum dann?«, fragte unsere Schöpferin angespannt und schrill.
»Wir versuchen herauszufinden, was deine Absichten hier sind. Insbesondere, ob sie einen gewissen ... hier ansässigen Zirkel betreffen«, erklärte das Mädchen im Umhang. »Wir fragen uns, ob sie irgendetwas mit dem Chaos zu tun haben, das ihr hier verursacht habt.
Illegalerweise
verursacht.«
Diego und ich runzelten gleichzeitig die Stirn. Nichts davon ergab einen Sinn, aber der letzte Teil war der eigenartigste. Was konnte für Vampire illegal sein? Welcher Polizist, welcher Richter, welches Gefängnis konnte Macht über uns ausüben?
»Ja«, zischte unsere Schöpferin. »Meine Pläne hängen
alle
mit ihnen zusammen. Aber wir können noch nichts unternehmen. Es ist kompliziert.« Ein verdrießlicher Tonfall schlich sich in ihre Stimme.
»Glaub mir, wir kennen die Schwierigkeiten besser als du. Es ist bemerkenswert, dass ihr es überhaupt so lange geschafft habt, nicht auf dem Radar zu erscheinen, um es mal so auszudrücken. Sag mal« - ein Anflug von Interesse färbte die gleichbleibende Stimmlage -, »wie machst du das?«
Unsere Schöpferin zögerte, dann sprach sie sehr schnell, fast so, als sei sie lautlos eingeschüchtert worden. »Ich habe die Entscheidung noch nicht getroffen«, stieß sie hervor. Dann fügte sie langsamer, widerstrebend hinzu: »Die Entscheidung, anzugreifen. Ich habe bisher nicht entschieden, irgendetwas gegen sie zu unternehmen.«
»Einfach, aber wirkungsvoll«, sagte das Mädchen im Umhang. »Leider ist die Zeit des Abwägens jetzt zu Ende. Du musst dich entscheiden - und zwar jetzt -, was du mit deiner kleinen Armee anfangen willst.« Sowohl Diego als auch ich bekamen große Augen bei dem Wort
Armee.
»Anderenfalls ist es unsere Pflicht, dich zu bestrafen, so, wie das Gesetz es verlangt. Dir überhaupt eine Gnadenfrist einzuräumen, auch wenn sie kurz ist, gefällt mir nicht. Das ist nicht unsere Art. Ich möchte dir dringend nahelegen, uns deine Zusicherung zu geben ... und zwar schnell.«
»Wir legen sofort los!«, bot Riley ängstlich an, woraufhin ein scharfes Zischen zu hören war.
»Wir legen so bald wie möglich los«, korrigierte unsere Schöpferin wütend. »Es gibt viel zu tun. Ich gehe davon aus, dass ihr auch wollt, dass wir Erfolg haben? Dann brauche ich ein bisschen Zeit, um sie zu trainieren, einzuweisen und mit Nahrung zu versorgen!«
Es herrschte kurzes Schweigen.
»Fünf Tage. Dann kommen wir wieder. Und es gibt keinen Felsen, unter dem du dich verstecken könntest, und keine Geschwindigkeit, mit der du fliehen könntest, um dich vor uns in Sicherheit zu bringen. Wenn du bis dahin deinen Angriff nicht ausgeführt hast, wirst du brennen.« Dieser Satz hatte nichts Bedrohliches an sich außer seiner absoluten Gewissheit.
»Und
wenn
ich meinen Angriff ausgeführt habe?«, fragte unsere Schöpferin nervös.
»Wir werden sehen«, antwortete das
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