BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL
in der Vampirwelt und sie war verdammt unheimlich. Unsere ungezügelte Gruppe gerade erst geschaffener Vampire hier sollte eine Armee sein, und diese Armee war in irgendeiner Weise illegal. Unsere Schöpferin hatte einen Feind. Besser gesagt, zwei Feinde. In fünf Tagen würden wir einen von ihnen angreifen, sonst würden die anderen, die unheimlichen Gestalten in den Umhängen, sie - oder uns oder beide - angreifen. Wir würden für diesen Angriff ausgebildet werden ... sobald Riley zurückkam. Ich warf einen Blick zur Tür, dann zwang ich mich, die Augen wieder auf die Seite vor mir zu richten. Und dann das Gespräch, bevor die Besucher aufgetaucht waren. Sie machte sich Sorgen wegen irgendeiner Entscheidung. Sie freute sich, dass sie so viele Vampire hatte - so viele
Soldaten.
Riley war froh, dass Diego und ich überlebt hatten ... Er hatte gesagt, er hätte gedacht, zwei weitere an die Sonne verloren zu haben, das musste bedeuten, dass er nicht wusste, wie Vampire
wirklich
auf Sonnenlicht reagierten. Was sie gesagt hatte, war allerdings merkwürdig gewesen. Sie hatte ihn gefragt, ob er
sicher
sei. Sicher, dass Diego überlebt hatte? Oder ... sicher, dass Diegos Geschichte wahr war?
Der letzte Gedanke machte mir Angst. Wusste sie bereits, dass die Sonne uns nichts anhaben konnte? Und wenn sie es wusste, warum hatte sie dann Riley - und also uns - angelogen?
Welchen Grund konnte sie haben, uns - im wahrsten Sinne des Wortes - im Dunkeln zu lassen? Wie wichtig war es ihr, dass wir die Wahrheit nicht erführen? Wichtig genug, um Diego in Schwierigkeiten zu bringen? Ich steigerte mich in eine regelrechte Panik hinein und war wie erstarrt. Wenn ich noch dazu in der Lage gewesen wäre, hätte ich jetzt geschwitzt. Ich musste mich sehr konzentrieren, um die nächste Seite umzublättern und den Blick gesenkt zu halten.
Wurde Riley getäuscht oder war er ebenfalls eingeweiht? Als Riley gesagt hatte, er glaubte, zwei weitere an die Sonne verloren zu haben, hatte er wirklich die Sonne gemeint... oder die Lüge über die Sonne?
Wenn letzteres der Fall war, dann bedeutete, die Wahrheit zu kennen,
verloren
zu sein. Ich konnte keine klaren Gedanken mehr fassen.
Ich versuchte, vernünftig zu bleiben und die Logik dahinter zu verstehen. Es war schwieriger ohne Diego. Mit jemandem zu reden und sich austauschen zu können, schärfte meine Konzentrationsfähigkeit. Ganz allein saugte die Angst an den Rändern meiner Gedanken, vermischt mit dem allgegenwärtigen Durst. Die Gier nach Blut schlummerte permanent unter der Oberfläche. Sogar jetzt, anständig genährt, konnte ich das Brennen und das Verlangen spüren.
Denk an
sie,
denk an Riley,
sagte ich mir. Ich musste begreifen, welchen Grund sie hatten zu lügen - falls sie logen -, damit ich versuchen konnte herauszufinden, welche Bedeutung es für sie hatte, dass Diego ihr Geheimnis kannte.
Wenn sie nicht gelogen hätten, wenn sie uns einfach gesagt hätten, dass wir tagsüber genauso sicher waren wie nachts, was hätte das verändert? Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn wir nicht den ganzen Tag über in einem abgedunkelten Keller festgehalten werden mussten, wenn wir einundzwanzig - inzwischen vielleicht weniger, je nachdem wie die Jagdgruppen heute Nacht miteinander zurechtkamen - jederzeit machen konnten, was wir wollten.
Wir würden auf die Jagd gehen wollen. Das war klar.
Wenn wir nicht zurückkehren mussten, wenn wir uns nicht verstecken mussten ... dann würden viele von uns bestimmt nicht sehr regelmäßig zurückkommen. Es war nicht leicht, sich auf die Rückkehr zu konzentrieren, solange der Durst die Oberhand hatte. Aber Riley hatte uns die Gefahr zu verbrennen und die Rückkehr dieses grauenhaften Schmerzes, den wir alle einmal erlebt hatten, dermaßen stark eingeimpft, dass wir uns einzig deshalb zurückhalten konnten. Selbstschutz, der einzige Instinkt, der noch stärker war als der Durst.
Das hieß, die Gefahr hielt uns zusammen. Es gab andere Verstecke, wie Diegos Höhle, aber wer außer ihm dachte schon an so etwas? Wir hatten einen Ort, eine Art Stützpunkt, also gingen wir dahin. Ein klarer Kopf war nicht gerade die Stärke von Vampiren. Oder zumindest nicht die Stärke
junger
Vampire. Riley hatte einen klaren Kopf. Diego hatte einen klareren Kopf als ich. Diese Vampire mit den Umhängen waren geradezu erschreckend klar und konzentriert gewesen. Ich schauderte. Das hieß, der Durst und die Jagd würden uns nicht ewig unter Kontrolle halten. Was
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