BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL
warum dann jetzt die Wahrheit sagen - wenn auch in sehr eingeschränkter Form?
Ich hätte wetten können, dass das mit den unheimlichen Vampiren in den dunklen Umhängen zu tun hatte. Wahrscheinlich wollte
sie
ihrem Stichtag zuvorkommen. Die in den Umhängen hatten ihr nicht versprochen, sie am Leben zu lassen, selbst wenn wir alle Gelbaugen umbrachten. Ich nahm an,
sie
würde wie der Blitz verschwinden, sobald sie ihr Ziel hier erreicht hatte. Die Gelbaugen umbringen und dann einen ausgedehnten Urlaub in Australien oder sonst wo am anderen Ende der Welt verbringen. Und ich war sicher, dass sie uns keine geprägten Einladungskarten schicken würde. Ich musste Diego schnell finden, damit wir auch abhauen konnten. In die entgegengesetzte Pachtung als Riley und unsere Schöpferin. Und ich musste Fred einen Tipp geben. Ich beschloss das zu tun, sobald wir einen Augenblick allein waren.
Rileys kleine Ansprache steckte so voller Lügen und Fallstricke, und ich war mir noch nicht mal sicher, alles zu bemerken. Ich wünschte, Diego wäre hier, damit wir gemeinsam darüber nachdenken könnten.
Wenn Riley sich diese Geschichte mit den vier Tagen gerade erst ausgedacht hatte, konnte ich unter Umständen sogar verstehen, warum. Er hätte ja schlecht einfach sagen können:
Hey, ich hab euch zwar euer ganzes Leben lang angelogen, aber
jetzt
sage ich euch die Wahrheit.
Er wollte, dass wir ihm heute in die Schlacht folgten; er konnte das, was er an Vertrauen gewonnen hatte, nicht einfach so untergraben.
»Ich kann verstehen, wenn euch der Gedanke Angst macht«, sagte Riley zu den Statuen. »Ihr seid nur deshalb noch am Leben, weil ihr aufgepasst habt, als ich euch gesagt habe, dass ihr vorsichtig sein sollt. Ihr seid rechtzeitig zurückgekommen, ihr habt keine Fehler begangen. Diese Angst hat euch schlau und vorsichtig gemacht. Ich erwarte nicht, dass ihr diese verständliche Angst leichtfertig beiseiteschiebt. Ich erwarte nicht, dass ihr jetzt zur Tür rausrennt, nur weil ich es euch sage. Aber ...« Er sah sich im Raum um. »Ich erwarte, dass ihr mir nach draußen
folgt.«
Sein Blick löste sich nur einen winzigen Sekundenbruchteil von seinen Zuhörern und huschte ganz kurz zu etwas über meinem Kopf.
»Seht mich an«, sagte er. »Hört mir zu. Vertraut mir. Wenn ihr seht, dass mir nichts passiert, traut euren Augen. Die Sonne hat an diesen Tagen einen interessanten Effekt auf eure Haut. Ihr werdet es gleich sehen. Es wird euch in keiner Weise wehtun. Ich würde nichts tun, um euch unnötig in Gefahr zu bringen, Leute. Das wisst ihr.«
Er begann die Treppe hinaufzusteigen.
»Riley, können wir nicht einfach warten ...«, hob Kristie an.
»Seht mir einfach zu«, unterbrach Riley sie und ging gemessenen Schrittes weiter. »Das verschafft uns einen großen Vorteil. Die Gelbaugen wissen auch über diese Tage Bescheid, aber sie wissen nicht, dass
wir
es wissen.« Beim Reden öffnete er die Tür und trat aus dem Keller in die Küche. In der sorgfältig abgedunkelten Küche war kein Licht, aber trotzdem scheuten alle vor der offenen Tür zurück. Alle außer mir. Er sprach weiter, während er sich auf die Haustür zubewegte. »Bei den meisten jungen Vampiren dauert es eine Weile, bis sie diese Ausnahme akzeptieren - aus gutem Grund. Wer nicht vorsichtig ist, was das Tageslicht angeht, überlebt nicht lange.«
Ich spürte Freds Blick auf mir ruhen und sah zu ihm hinüber. Er starrte mich durchdringend an, als wollte er verschwinden, wüsste aber nicht, wohin.
»Es ist in Ordnung«, flüsterte ich beinahe lautlos. »Die Sonne kann uns nichts anhaben.«
Traust du ihm?,
fragte er mich nur mit der Bewegung seiner Lippen.
Nicht die Spur.
Fred hob eine Augenbraue und entspannte sich nur ein kleines bisschen.
Ich warf einen Blick hinter uns. Wo hatte Riley hingeguckt? Dort hatte sich nichts verändert - nur ein paar Familienfotos von Verstorbenen, ein kleiner Spiegel und eine Kuckucksuhr hingen an der Wand. Hmm. Hatte er auf die Uhr gesehen? Vielleicht hatte unsere Schöpferin ihm auch eine Deadline gesetzt.
»Okay, Leute, ich gehe jetzt raus«, sagte Riley. »Ihr müsst heute keine Angst haben, versprochen.«
Das Licht schien durch die offene Tür in den Keller, noch verstärkt - was nur ich wusste - von Rileys Haut. Ich konnte die hellen Lichtreflexe an der Wand tanzen sehen.
Zischend und knurrend drängte sich unsere Gruppe in der Fred gegenüberliegenden Ecke zusammen. Kristie stand ganz hinten. Es sah aus, als versuchte
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