Bissige Spiele (German Edition)
Emotionen, oder sollte ich eher sagen: alt? Im Grunde genommen kannte ich die Reaktionen meines Körpers und Geistes, sie waren nur sehr, sehr in Vergessenheit geraten.
„So…“, musste ich nun doch nachharken. „…ich bin also der Zwilling vom Mond!“
Sara musste nun über ihre Äußerung lachen und Catherine sah sie interessiert an. Ihr waren die leuchtenden Augen in Saras Gesicht nicht entgangen, als sie von meiner blassen Haut geschwärmt hatte, und nun giftete sie ihre Nichte ein wenig an. Mir schien das alles ein wenig unheimlich. Die beiden standen sich schließlich mehr als nur nahe und nun löste meine Gegenwart, oder sollte ich vielmehr sagen meine Wirkung zwischen ihnen eine Art Rivalität aus.
Wenn ich wieder verschwand, konnte sich Catherine sicher nicht mehr an ihr sonderbares Benehmen erinnern. Oder sie fragte sich ernsthaft, was bloß mit ihr los war. „Midlife crises“ wäre eine Möglichkeit.
Ein wenig schuldbewusst so über ihre Abhängigkeit von meiner Person zu spekulieren sah ich ihr freundlich, aber nicht zu freundlich um sie zu ermuntern, ins Gesicht.
„Nun zumindest hast du eine Anziehungskraft, die der des Mondes gleicht! Findest du nicht auch Catherine?“
Sara neckte ihre Tante, der ihr Tonfall nicht entgangen war.
Erneut peinlich berührt huschte sie zurück in die Küche.
„Ja, das ist schon wahr. Ich muss noch mal kurz in die Küche. Bitte entschuldigt mich.“
Wir konnten ihr beide ansehen, wie unangenehm Catherine diese Konfrontation war. Wie sollte es auch anders sein. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie eigentlich nur ein Opfer war und dass einfach alles normal war.
„Meine Tante tut mir richtig leid, weißt du das! Es ist gemein von dir, sie so zu verführen! Tust du das mit allen, oder nur mit deinen Opfern?“
Langsam aber sicher kamen wir auf das Thema, welches mir am meisten Kopfzerbrechen machte: Meine Ernährung! Auch jetzt war ich mir noch nicht sicher, ob Sara immer noch an dem Spiel festhielt, oder ob sie bereits ernsthaft und bewusst nachfragte.
„Nun, das kommt darauf an!“, antworte ich ein wenig knurrend, denn mir schien alles so verwirrend.
„Worauf kommt es denn an?“
Sara ließ nicht locker.
„Es kommt auf meinen Hunger an, was dachtest du denn?“, knurrte ich weiterhin, wobei sie mich ebenso weiterhin mit ihren Fragen bombardierte.
„Ist es dir dann egal, wer es ist?“ Sicher wollte sie auf ihre Tante aus.
„Nein! Das ist mir ganz und gar nicht egal!“
Sie musste doch merken, dass ich mich auch an ihr nicht verging.
„War es dir bei der Frau im Zug egal?“
Verdammt! Sie konnte schneller kombinieren als ich es mir gedacht hatte. Als Catherine die Frau erwähnt hatte, war ich nicht davon ausgegangen, so schnell durchschaut zu werden. Andererseits hatte ich es ja bei Sara auch mit keinem Dummerchen zu tun. Im Gegenteil! Im Moment schien ich hier der Dumme zu sein, weil ich mir eingebildet hatte, meine Tat vor ihr vertuschen zu können.
„Ich wollte bei dir bleiben. Ja, es war mir egal!“, antwortete ich. Jetzt ein wenig schuldbewusst, dass ich mir nicht mehr Gedanken im Zug gemacht hatte. Doch ich konnte mich auch daran erinnern, wie stark mein Durst gewesen war. Es war mir tatsächlich völlig egal gewesen, wer es war! Völlig!
„Hm.“
Sara zögerte einen Augenblick, fixierte mich mit ihren Augen, denen ich nicht widerstehen konnte, und wartete einen weiteren Moment ab, bis sie sich sicher war, dass sie mich und mein totes Herz traf.
„Dann kann ich nur hoffen, dass dein Hunger, oder Durst, oder wie auch immer, in der Gegenwart meiner Tante nicht so groß ist, dass
sie
dir egal wird!“
Ich hatte es schon geahnt, dass sie mir etwas in dieser Richtung hatte sagen wollen. Ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Keine Sorge, normalerweise halte ich mich von Menschen fern. Die Frau im Zug war ein Notfall!“
Meine Stimme klang erneut schuldbewusst und auffällig kleinlaut.
„Und was isst du sonst, wenn es kein Menschenblut ist?“
Obwohl sich Sara bemühte gleichgültig zu klingen, konnte ich eine Erregung in ihrer Stimme hören.
„Och, so allerlei!“
Eigentlich konnte sie ruhig noch ein wenig zappeln.
Außerdem fand ich zunehmend eine Befreiung. Wann hatte ich schon mal in den letzten Jahrhunderten auf diese Weise mit einem Menschen über mein Essverhalten gesprochen? Auch wenn ich immer noch mit ein wenig Distanz zu kämpfen hatte, wurde mein Missmut weniger. Ich konnte es einfach noch nicht glauben,
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