Bisswunden
jedenfalls im Zentrum dieser ganzen Geschichte. Er ist die einzige bekannte Verbindung zwischen dir und den Morden in New Orleans. Er hat bereits gezeigt, dass er auf dich fixiert ist. Ich denke, du solltest ihn als den Hauptverdächtigen betrachten.«
Ich lasse ein wenig Eiskrem im Mund zergehen und genieße das reiche Vanille-Aroma. »Nun … das fbi sucht bereits nach Malik, und er kann nicht gewusst haben, dass ich auf der Insel war.«
»Das weißt du nicht. Du weißt, dass er dich zurückrufen will, doch du hast dem fbi nichts davon erzählt. Warum nicht?«
»Woher weißt du, dass ich es nicht habe?«
Michaels Augen sehen mich an, als wollten sie Jetzt komm aber sagen. »Ich denke, du möchtest mit Dr. Malik reden, ohnedass jemand eure Unterhaltung belauscht. Du glaubst, dass er Dinge über dein Leben herausfinden kann, die anderen Therapeuten verborgen bleiben würden.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, warum dieser Missbrauch stattgefunden hat. Oder der Beweis, dass er tatsächlich stattgefunden hat. Das ist nämlich eine Sache, die ich heute über Patienten mit verlorenen Erinnerungen gelesen habe. Selbst wenn es ihnen gelingt, Beweise für die Echtheit ihrer Erinnerungen zu finden, bezweifeln sie immer noch die Wahrheit dessen, an das sie sich erinnern.«
Seine Worte lassen mich unerwartet frösteln. »Warum?«
»Weil den Missbrauch zu akzeptieren in Wirklichkeit die Erkenntnis bedeutet, dass man von der Person, die den Missbrauch begangen hat, niemals geliebt wurde. Um deinen Missbrauch zu akzeptieren, Cat, muss das kleine Mädchen in dir zugeben, dass sein Daddy es niemals geliebt hat. Glaubst du, du bist dazu imstande? Ich bin nicht so sicher, dass ich es könnte.«
Ich habe Eiskrem noch nie weniger gemocht als in diesem Augenblick.
»Das ist der Kern dieses ganzen Problems«, sinniert Michael. »Verleugnung. Mütter weigern sich zu glauben, dass es ihren Kindern widerfährt, damit sie ihre Familien zusammenhalten können. Wir anderen weigern uns zu glauben, dass unser Hausarzt oder Pfarrer oder der nette Milchmann Sex mit seinem drei Jahre alten Kind haben könnte, denn wenn wir das tun, dann müssen wir einräumen, dass die ganze Tünche unserer Zivilisation nichts als Einbildung ist. Schlimmer noch, wir müssten uns die Gefahren eingestehen, in denen unsere Kinder schweben. Denn wenn wir die Täter nicht erkennen, denen wir Tag für Tag die Hand schütteln, wie können wir dann unsere Kinder schützen?«
»Das ist eine deprimierende Unterhaltung.«
»Möchtest du jetzt den Film ansehen?«
»Gütiger Gott, nein! Ich würde am liebsten dreißig Stunden am Stück schlafen!«
»Dann solltest du genau das tun«, sagt Michael und zuckt die Schultern, als wären wir gemeinsam im Urlaub und als hätten wir überlegt, ob wir zum Essen ausgehen oder uns etwas kommen lassen sollen. »Ich kann dir nicht verdenken, dass du nicht nach Hause willst. Die Rückkehr an den Ort, wo der Missbrauch sich ereignet hat, ist ganz bestimmt keine gute Idee.«
»Hast du wirklich ein Schlafzimmer, in dem ich übernachten kann?«
Er lächelt. »Drei. Du bist vollkommen ungestört. Der ganze erste Stock gehört dir. Du wirst überhaupt nicht merken, dass ich da bin, solange du nicht nach unten kommst, um mich zu sehen.«
Ich warte einen Augenblick, bevor ich antworte. »Ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber andere Männer haben mir schon früher ähnliche Dinge versprochen. Sie scheinen nur niemals geneigt, sich auch daran zu halten.«
»Ich bin nicht andere Männer.«
»Aber warum bist du anders?«
Ein selbstverächtliches Grinsen. »Vielleicht, weil meine Pubertät so beschissen war. Ich verstehe das Prinzip von hinausgezögerter Belohnung.«
»Ist es das, was du dir von unserer Beziehung erhoffst? Eine Belohnung?«
Plötzlich blickt Michael mich sehr ernst an. »Ich denke nicht so weit voraus, okay? Ich weiß nicht einmal, ob du geistig gesund genug bist, um mit einer echten Beziehung zurechtzukommen. Ich mag dich einfach. Ich mochte dich schon immer. Und ich halte dich für sehr schön – aber das kann jeder sehen. Die Sache ist die: Du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest, und du musst dir keine Sorgen machen, dass Sex im Spiel ist.«
Ich weiß nicht, warum, doch ich glaube ihm. »Okay, abgemacht. Zeig mir mein Schlafzimmer.«
»Du findest es selbst. Erster Stock. Such dir eins aus.«
Das breite Grinsen auf meinem Gesicht überrascht mich selbst. Ich wende mich ab, bevor es
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