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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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versucht, mich vor meinem Herkommen innerlich zu wappnen, indem ich mir alte Fotos von Daddy angesehen habe. Doch die Toten sehen nie so aus, wie wir sie in Erinnerung haben. Nach dem Tod verändert sich der Körper rasch, hauptsächlich durch den Verlust von Wasser. Selbst wenn der Leichnam gut erhalten ist, könnte der Mann, den ich zu sehen bekomme, sobald der Sarg offen ist, wie ein Fremder sein. Er trägt einen Anzug – und das allein ist ungewohnt für mich. Ich habe meinen Vater zu Lebzeiten niemals in einem Anzug gesehen. Ich habe ihn nie mit irgendetwas anderem auf dem Leib gesehen als ausgewaschenen Jeans und T-Shirt. Ich war der Meinung, dass er auch so begraben werden sollte, doch am Tag vor der Beerdigung kam Tante Ann mit einem teuren schwarzen Anzug an, von dem ich vermute, dass er einem ihrer Exmänner gehört hatte.
    Mr. McDonough richtet sich am Fußende des Sargs wieder auf und blickt mich mit einem Ausdruck von Herausforderung an. »Möchten Sie, dass ich den Deckel jetzt öffne?«
    »Ich bitte darum.«
    Er wendet sich um und hebt die obere Hälfte des zweigeteilten Sargdeckels an, bis die Scharniere einrasten, dann geht erbeiseite, ohne einen Blick in das Innere geworfen zu haben. Die Totengräber haben sich ebenfalls zurückgezogen, obwohl ich nicht zu sagen vermag, ob es wegen des Gestanks ist oder wegen des Anblicks – oder vielleicht auch aus Respekt, was ich jedoch bezweifle. Wäre ich nicht zugegen, würden sie wahrscheinlich mit Zoten um sich werfen, wie Männer es überall tun, wenn sie zusammen arbeiten. Ich habe es häufig genug beobachtet, um es zu wissen.
    Der offene Sargdeckel versperrt mir den Blick. Ich muss um den Sarg herum, um hineinsehen zu können. Meine Handflächen sind schweißnass. Im Gegensatz zu dem, was die meisten Leute denken, dient das Einbalsamieren lediglich dem Zweck, einen gut erhaltenen Toten in der Begräbniskapelle zu präsentieren, und ist nicht auf längere Konservierung des Leichnams ausgerichtet. Wenn der Einbalsamierer schlecht gearbeitet hat, wird aus dem Leichnam schnell etwas, das aussieht wie ein Zombie in einem Horrorfilm, ein Ghoul, der in seinen eigenen Körperflüssigkeiten verwest. Selbst wenn der Einbalsamierer ausgezeichnete Arbeit leistet, können im Leichnam anaerobe Bakterien überleben, die auf die geringste Spur von Flüssigkeit warten, um mit dem Zersetzen der Leiche anzufangen.
    Mr. McDonough blickt demonstrativ auf seine Armbanduhr.
    Als ich mich in Bewegung setze, zwinge ich mich, an meine Zeit in Bosnien zu denken, als ich für die Kommission zur Bekämpfung und Aufklärung von Kriegsverbrechen gearbeitet habe. Als die Bagger der UN den langen Graben freigelegt hatten, fanden wir dreihundert Männer, Frauen und Kinder in verschiedenen Stadien der Verwesung. Mütter, die ihre Babys in den Armen hielten. Kleinkinder, durchbohrt von Maschinengewehrkugeln. Kleine Mädchen, die sich an Puppen klammerten, das Letzte, was sie auf der Welt sahen, bevor ihnen mit Gewehrkolben die Schädel eingeschlagen wurden. Was immer mich in diesem Sarg erwartet, es ist nicht zu vergleichen mit jenem Entsetzen damals. Und doch …  ganz gleich, wie vielErfahrung Sie haben, wenn es sich um einen Familienangehörigen handelt, ist es etwas anderes, flüstert die Stimme des Leichenbestatters in meinem Kopf.
    Ich trete um den Sarg herum und sehe nach unten.
    Meine erste Reaktion ist blanker Unglaube. Mit Ausnahme des schwarzen Anzugs sieht mein Vater fast genauso aus wie zu Lebzeiten. Er ist so gut erhalten, dass ein flüchtiger Betrachter meinen könnte, es wäre ein junger Mann, der sich nach dem sonntäglichen Dinner zu einem Nickerchen hingelegt hat. Auf seinen Wangen und am Kinn wächst ein dünner schwarzer Bart – ein Bart, wie er ihn zu Lebzeiten nie hatte. Dieser Bart ist nicht aus Haaren – es ist Schimmel –, doch verglichen mit den grauenhaften Veränderungen, die ich erwartet hatte, ist ein Bart aus Schimmel so gut wie gar nichts.
    »Soll man es für möglich halten!«, sagt Mr. McDonough mit einem gewissen Stolz in der Stimme. »Er sieht genauso gut aus wie Medgar Evers.«
    In der Armbeuge meines toten Vaters ruht Lena die Leopardin. Der Anblick ihres gelben, schwarz gepunkteten Fells ist beinahe mehr, als ich ertragen kann. Ich habe jede Nacht mit Lena im Bett geschlafen, bis mein Vater begraben wurde. Mit Ausnahme meiner Träume habe ich das Stofftier seit dreiundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen.
    »Vor ein paar Jahren wurde der alte

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