Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
vergessen?«, fragt Mr. McDonough.
    »Ich habe jetzt nicht die Zeit dazu. Ich bringe Sie gleich im Anschluss hierher zurück.«
    Er funkelt mich an. »Sie halten diesen Wagen augenblicklich an, junge Frau!«
    »Das ist eine Morduntersuchung, Sir. Eine Angelegenheitdes fbi. Bitte setzen Sie sich zurück, und schnallen Sie sich an.«
    Ich weiß nicht, ob Mr. McDonough mir glaubt oder nicht, doch er fügt sich und schweigt. Ich danke Gott für diesen kleinen Gefallen.

56
    D raußen vor dem McDonoughs Bestattungsinstitut parken auf einer Länge von zwei Blocks in alle Richtungen Fahrzeuge. Es ist eine Tradition in Natchez. Wenn man hier vorbeikommt und Fahrzeuge parken sieht, weiß man, dass jemand gestorben ist. Ein Weißer. Schwarze haben ihre eigenen Beerdigungsinstitute. Und ihre eigenen Friedhöfe. Manche Dinge brauchen eine lange Zeit, um sich zu ändern.
    »Biegen Sie bei den Eisenbahnschienen ab«, sagt Mr. McDonough. »Der Vorbereitungsraum ist direkt hinter dem Garagentor.«
    Ich biege links ab, dann noch einmal links, und fahre in eine weite Auffahrt. Ein großer schwarzer Leichenwagen steht glänzend in der Sonne, dahinter mehrere luxuriöse Limousinen. Wahrscheinlich gehören sie den Angehörigen des Verstorbenen, dessen Abschiedszeremonie im Institut stattfindet.
    »Hier entlang«, sagt Mr. McDonough.
    Er führt mich zu einer geschlossenen Garage und an einem Dodge Caravan vorbei, dessen Ladefläche mit Rollen ausgestattet ist. Dahinter steht der Econoline Van, der auch auf dem Friedhof war. Ein Teenager wäscht mit einem grünen Gartenschlauch den Schmutz aus dem Laderaum.
    »Ist der Mann von Jackson schon da?«, fragt Mr. McDonough den Jungen.
    »Nein, Sir.«
    »Ihr Glückstag«, sagt Mr. McDonough über die Schulter an meine Adresse.
    Hinter dem Garagentor führt ein kurzer Gang, der voll gestellt ist mit hochkant an den Wänden lehnenden Särgen in Plastikhüllen, zu einer Tür mit dem Symbol für biologisches Gefahrengut. Mr. McDonough klopft an, doch niemand antwortet. Er drückt die Klinke hinunter.
    Der Sarg meines Vaters liegt mitten im Raum. Das Metall ist abgewaschen, wohl eher, um keinen Schmutz in den Raum zu tragen, als aus Respekt vor dem Toten. Diesmal warte ich nicht auf Mr. McDonough. Ich trete zum Sarg und öffne den Deckel.
    »Nähen Sie die Kiefer zusammen?«, fragte ich. »Oder benutzen Sie das Nadelinjektionssystem?«
    »Sie kennen sich gut aus«, antwortet Mr. McDonough. »Wir benutzen das Nadelsystem, seit es auf dem Markt ist.«
    Ich wappne mich innerlich gegen die Emotionen, die mich bestürmen, und ziehe ein Paar Latexhandschuhe aus einem Spender auf der Arbeitsplatte an. Dann beuge ich mich über meinen Vater und berühre seine Lippen. Sanfter Druck vermag sie nicht zu teilen.
    »Manchmal müssen wir Sekundenkleber benutzen«, sagt Mr. McDonough. »Um sie geschlossen zu halten, meine ich. Manchmal reicht auch schon Vaseline.«
    Vorsichtig, um die vertrocknete Haut nicht zu beschädigen, ziehe ich ein wenig fester.
    Die Lippen teilen sich.
    Als Erstes sehe ich zwei Stück Silberdraht, die miteinander verdreht und unter die Lippen gebogen sind. Diese Drähte halten die Kiefer während der Abschiedszeremonie vor der Beerdigung zusammen. Ein federgetriebener Injektor schießt kleine Schrauben in die Knochen des Ober- und Unterkiefers. An jeder Schraube sind zehn Zentimeter lange Drahtstücke fixiert. Mithilfe einer Zange werden die beiden Drähte umeinander verdrillt, bis die Zähne zusammen sind.Anschließend wird der überschüssige Draht abgeschnitten und das verdrillte Stück unter den Lippen versteckt, wo man sie nicht mehr sieht.
    »Drahtschneider?«, frage ich.
    Mr. McDonough geht zu einer Schublade und kramt geräuschvoll darin. »Hier.«
    Vorsichtig, um die Zähne meines Vaters nicht zu beschädigen, setze ich die Backen des Drahtschneiders an und durchtrenne den Silberdraht. Der Unterkiefer sackt sofort weg, ein Zerrbild eines Mannes im tiefen Schlaf.
    »Suchen Sie nach etwas Bestimmtem in seinem Mund?«, fragt der Leichenbestatter.
    »Ja.«
    »Was?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Ich neige den Kopf meines Vaters ein wenig nach hinten, dann öffne ich den Mund, so weit es geht, und halte Lenas Kopf hinein.
    »Was zur Hölle …?«, murmelt Mr. McDonough.
    »Bitte schalten Sie das Licht aus, Sir.«
    Er leistet meiner Aufforderung Folge.
    Ein paar Sekunden später haben sich meine Pupillen ausreichend geweitet, um das Leuchten zu erkennen, das durch die Reaktion von

Weitere Kostenlose Bücher