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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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McDonough.
    »Nein. Wir wollen nicht, dass diese Chemikalie im Wagen verteilt wird.«
    »Ist sie giftig?«
    »Nein«, lüge ich.
    »Hm. Und was soll jetzt passieren?«
    »Wenn Blut am Fell klebt, dann leuchtet es blau.«
    »Wie lange dauert es?«
    »Ein oder zwei Minuten.«
    Mr. McDonoughs Interesse erwacht. »Darf ich es sehen?«
    »Ja. Wenn wir etwas finden. Ich möchte, dass Sie es bezeugen.«
    Nachdem zwei Minuten vergangen sind, hebe ich den Schoß der Jacke und spähe in die Dunkelheit darunter. Lenas Kopf fluoresziert so intensiv, als hätte jemand ihn mit blauer Leuchtfarbe angemalt.
    Mein Herz hämmert. Großvater hat Lena die Leopardin in keiner seiner Versionen über den Tod meines Vaters erwähnt. Trotzdem hat er mir definitiv gesagt, dass ich das Stofftier zu Daddy in den Sarg legen soll. Und bald schon werde ich wahrscheinlich den Grund dafür kennen.
    »Was sehen Sie?«, fragt der Leichenbestatter.
    »Blut.«
    »Darf ich es sehen?« Er klingt wie ein aufgeregter Vierjähriger.
    »Gleich.«
    Vorsichtig drehe ich Lena um und untersuche ihren Kopf.Obwohl das Blut ziemlich verschmiert ist – wahrscheinlich durch die Reinigungsversuche Pearlies –, scheint das Blut in kleinen, kräftigen Spritzern in das Fell eingedrungen zu sein. Und ich entdecke eine feine Sprühschicht, die Pearlie möglicherweise übersehen hat. Das meiste Blut ist an Lenas Kopf, und der Rumpf hat so gut wie gar nichts abbekommen. Es ist fast, als wäre der Kopf in die Wunde gedrückt worden, um die Blutung zu stoppen. Hat Daddy mein Lieblingstier in seine Brust gedrückt, um sich zu retten? Es ist durchaus möglich, obwohl es ihn nicht retten konnte, nicht angesichts der großen Austrittswunde auf dem Rücken.
    Du blickst direkt auf die Antwort, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Du blickst darauf, aber du siehst es nicht …
    Das blaue Fluoreszieren ist jetzt noch stärker geworden. Langsam drehe ich Lenas Kopf und untersuche sie aus jedem Winkel. Ich studiere die Stiche unter dem Kinn. Wieso ist sie dort zerrissen worden? Wenn Daddy sich den Kopf meines Stofftiers in die Schusswunde gepresst hat, was kann ihr Fell zerrissen haben? Eine zerfetzte Rippe? Möglich. Als ich Lena drehe, um ihre Nase zu untersuchen, trifft mich die Antwort wie ein Kübel Eiswasser über den Kopf.
    Oben auf Lenas Schnauze ist ein perfekter Bogen aus leuchtendem Blau, fast genau von der Größe des Oberkiefers bei einem erwachsenen Menschen. Ich kann nicht genügend Einzelheiten erkennen, um einen Vergleich mit individuellen Zähnen anzustellen, doch ich weiß ohne nachzusehen, dass der Bogen auf Lenas Fell perfekt mit dem Bogen von Daddys Oberkiefer übereinstimmt.
    Mein Vater ist also erstickt worden.
    Zum ersten Mal im Leben erkenne ich die Wirklichkeit jener Nacht genau so, wie sie sich zugetragen hat. Großvater hat Daddy mein Stofftier in den Mund gedrückt, vielleicht, um seine Schmerzensschreie zu unterdrücken, aber viel wahrscheinlicher, um den Mord an ihm zum Abschluss zu bringen. Während Daddy blutend wie ein waidwund geschossenerHirsch am Boden lag und während Pearlie durch das Haupthaus in Richtung Sklavenquartier rannte, hat mein Großvater Lena in Daddys Hals gestoßen und ihm die Nase zugehalten, um ihm den Rest zu geben. Und ihn für immer zum Schweigen zu bringen.
    Doch mein Vater wird nicht länger schweigen. Genau wie das Blut Abels schreit das Blut meines Vaters vom Boden zum Himmel hinauf. Und wie Abels Mörder wird auch mein Großvater bald gezeichnet sein. Gezeichnet sein und bestraft werden für seine Tat.
    »Darf ich jetzt sehen?«, fragt Mr. McDonough.
    Ich nicke geistesabwesend.
    Er hebt das Jackett und starrt in die Dunkelheit darunter. »Ich will verdammt sein! Das ist ja wie bei C. S. I.!«
    »Ganz genau«, murmele ich. »Ich muss den Leichnam noch einmal sehen, Sir.«
    Er lässt das Seitenfenster herunter und verrenkt sich den Kopf, um nach hinten zu sehen. »Der Wagen hat den Toten bereits aufgeladen und zum Institut gebracht.«
    »Ich muss ihn unbedingt sehen, bevor er nach Jackson fährt!«
    »Dann beeilen Sie sich besser, junge Frau. Möglich, dass der Wagen des Medical Examiners bereits beim Institut wartet. Falls ja, laden sie den Sarg einfach um, ohne ihn vorher ins Institut zu tragen.«
    Ich lasse den Motor an, setze den Wagen auf den Asphaltweg zurück und beschleunige vehement in Richtung des vierhundert Meter entfernt liegenden Friedhofstors.
    »Sie müssen mich noch bei meinem Wagen rauslassen, schon

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