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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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gleichzeitig. »Du versuchst nur, meinen Stolz zu retten.«
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Ich hab Angst vor dem Fliegen, besonders in kleinen Maschinen.« Ich blicke in Richtung der Bäume, hinter denen Malmaison verborgen liegt. »Bist du meinem Großvater schon begegnet?«
    Er lächelt auf eine Weise, die schwer zu deuten ist. »Dem Lord des Herrenhauses? Ja. Er kommt immer noch hin und wieder zu Personalversammlungen des Krankenhauses, auch wenn er inzwischen mehr ein ausgekochter Geschäftemacher als ein Chirurg ist, soviel ich gehört habe.«
    »Seit mehreren Jahren, ja. Chirurgie war schon mit vierzig nur noch ein prestigebehaftetes Hobby für ihn.«
    Michael folgt meinem Blick zu den Bäumen, als könnte mein Großvater dort stehen und uns beobachten. »Ich habe ihn vor einer Weile mal beim Laufen gesehen. Er hat mich nicht erkannt. Ich sage dir, er ist ein zäher alter Bursche. Wie alt ist er eigentlich, siebzig?«
    »Siebenundsiebzig.«
    »Mein Gott. Er würde mich in Grund und Boden laufen. Und er läuft nicht wie ein alter Mann, er rennt .«
    »Großvater ist ziemlich stark.«
    »In letzter Zeit scheint er nicht mehr so häufig unterwegs zu sein. Offensichtlich ist er viel außerhalb der Stadt.« Michael beugt sich vor und taucht die Hand ins Wasser. »Es gibt Gerüchte, dass er die ganze Innenstadt von Natchez aufkauft.«
    »Was?«
    »Als die Papiermühle dichtgemacht hat, ist der Immobilienmarkt mehr oder weniger zusammengebrochen, und eine Vermarktungsgesellschaft hat die Häuser gleich blockweise gekauft, wie in den besten Boomzeiten. Es heißt, hinter der Gesellschaft steckt in Wirklichkeit dein Großvater.«
    Das passt überhaupt nicht zu dem Bild, das ich von meinem Großvater habe. »Warum sollte er das tun? Wo liegt für ihn der Gewinn?«
    Diesmal zuckt Michael die Schultern. »Das weiß anscheinend niemand. Aber manche Leute sagen, er hätte große Pläne, um die Stadt zu retten.«
    Ich schüttele den Kopf. »Er hat schon immer viel für die Stadt getan, aber das erscheint mir doch ein wenig verrückt angesichts der hiesigen Wirtschaftslage.«
    »Vielleicht weiß er etwas, das wir nicht wissen?«
    »Das tut er immer.«
    Wir sehen einander an, ohne zu reden. Michael fühlt sich nicht veranlasst, das Schweigen zu füllen, wie manche Männer es tun. Schließlich ist das hier sein Besitz. Ich bin der Eindringling.
    »Du weißt, dass ich die Universität nicht abgeschlossen habe, oder?«, frage ich vorsichtig.
    »Ich hab davon gehört.«
    »Was hast du gehört?«
    Er wiederholt es in neutralem Tonfall, vorsichtig darauf bedacht, keinerlei Urteil aus seiner Stimme klingen zu lassen.»Depressionen, hieß es. Nervenzusammenbruch. Das Übliche.«
    »Sonst nichts?«
    »Irgendetwas von wegen einer Affäre mit einem Oberarzt. Oder einem Professor … etwas in der Art. Er ist über dich gestolpert und hat seinen Job verloren, und du wurdest rausgeworfen oder so. Ist mir egal, ich mache mir nicht viel aus Gerede. Jeder hat eine Vergangenheit.«
    Ich grinse. »Du auch?«
    »Sicher.« Er lacht leise. »Vielleicht nicht ganz so farbenfroh wie deine.«
    Wir lachen beide.
    »Ich war auf der Highschool schrecklich in dich verliebt«, sagt er. »Ich muss es dir einfach sagen. Damals hatte ich nicht den Nerv. Das schönste Mädchen an der St. Stephen’s … mein Gott.«
    »Und jetzt stehe ich in Unterwäsche in deinem Swimmingpool. Wie sehe ich aus?«
    Er antwortete nicht sogleich. Ich bin überrascht, wie nervös mich das Warten macht. Warum gebe ich so viel darauf, was ein praktisch Fremder denkt?
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert«, sagt Michael.
    »Jetzt lügst du aber. Du hättest mir damals etwas von deinen Gefühlen sagen sollen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Du hast dich damals nur mit Sportskanonen oder mit bösen Jungs getroffen.«
    »Und was warst du?«
    »Der pummelige Blödmann. Das weißt du.«
    Ich will ihn nicht beleidigen, indem ich widerspreche. »Du hast dich neu erfunden, wie es scheint.«
    Er nickt, und sein Blick wird besinnlich. »Manchmal muss man das. Es ist nicht leicht, weißt du?«
    »Du bist bestimmt verheiratet, nicht wahr?«
    »Nein. Während der ganzen Studienzeit hatte ich nur eine Freundin, aber wir haben uns getrennt.«
    »Du musst der begehrteste Junggeselle in ganz Natchez sein.«
    Michael stößt in offensichtlicher Frustration den Atem aus. »Die einheimischen Damen und geschiedenen Frauen betrachten mich so, ja. Es ist eine neue Erfahrung für mich.«
    Mein

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